Das Buch der Vampire 01 - Bleicher Morgen
einem ganzen Nachmittag der Langeweile gerettet.
»Du siehst bezaubernd aus, meine liebe Marquise«, begrüßte ihre Großtante sie, nachdem Kritanu sie in den Salon geführt hatte. »Ausgeruht und rundum glücklich.«
Victoria beugte sich nach unten, um das außergewöhnlich weiche, faltenlose Gesicht der alten Dame zu küssen. »Das bin ich tatsächlich, Tante. Aber gleichzeitig sehne ich mich danach, mich wieder meiner Aufgabe zuzuwenden.«
»Es freut uns, das zu hören«, sagte Max, der auf der gegenüberliegenden Seite des Raums stand, gedehnt.
»Max, ich habe Ihnen noch gar nicht dafür gedankt, dass Sie eingewilligt haben,zur Hochzeit zu kommen«,erwiderte Victoria. Sie hatte damit gerechnet, dass er da sein würde, und in Anbetracht ihrer neuen Stellung beschlossen, sich nicht länger von ihm provozieren zu lassen. Ihr eigenes Glücksgefühl machte es ihr wesentlich leichter, ihn für seine düsteren Stimmungen und ein Leben, das von großer Einsamkeit geprägt sein musste, zu bemitleiden.
Er verbeugte sich. »Ich war gerne behilflich.«
Vielleicht hatte er ebenfalls beschlossen, weniger streitlustig aufzutreten.
»Und wie waren die Flitterwochen?« Max blieb höflich stehen, bis Victoria sich gesetzt hatte. »Ich hoffe, der Marquis ist wohlauf und hat nicht vor, dem Silberkelch einen weiteren Besuch abzustatten.«
Vielleicht auch nicht.
»Wir haben nie wieder über diesen Abend gesprochen«, antwortete Victoria in bewusst mildem Ton.
»Victoria, ich weiß, dass du erst gestern von deiner Hochzeitsreise zurückgekehrt bist, aber ich hielt es trotzdem für notwendig, dich zu kontaktieren«, warf Tante Eustacia ein. »Wir haben erfahren, dass eine Gruppe von Vampiren für die frühen Morgenstunden eine Art Gemeinschaftsangriff auf die Vauxhall Gardens plant. Trotz Maximilians Erfahrung sind wir der Meinung, dass es zwei Venatoren sein sollten, die sie an der Durchführung ihrer Pläne hindern.«
Victorias Herz schlug bei dem Gedanken an den bevorstehenden Kampf vor Aufregung schneller, doch dann fiel ihr etwas ein. »Ich habe Phillip versprochen, heute Abend mit ihm ins Theater zu gehen.Aber... um welche Zeit müsste ich bereit sein?«
»Natürlich um Mitternacht«, sagte Max aus der Ecke. »Ich bin überzeugt, dass Sie einen triftigen Grund erfinden können, warum Sie den Abend lieber früher als später beenden möchten. Schließlich sind Sie gerade erst aus den Flitterwochen zurückgekehrt.«
Victoria gestattete sich nicht zu erröten. »Sie haben natürlich Recht. Es wird bestimmt nicht schwierig sein, meinen Gemahl zu einer frühzeitigen Heimkehr zu bewegen. Allerdings werde ich dann möglicherweise für eine Weile anderweitig beschäftigt sein.«
Max nickte, sein Blick düster und kalt. »Natürlich. Aber halten Sie es für denkbar, Ihren Terminplan so abzustimmen, dass ich Sie um Mitternacht abholen kann? Damit nicht allzu viele Menschen getötet werden, bevor wir vor Ort sind?«
»Sie brauchen mich nicht abzuholen«, entgegnete Victoria, während sie sich fragte, was aus ihren guten Vorsätzen geworden war. »Ich kann Sie dort treffen.«
»Ich werde Sie abholen. Sie würden mich in Vauxhall niemals finden.«
»Ich muss mir einen Plan zurechtlegen, um das Haus zu verlassen, ohne dass Phillip es merkt.«
»Man sollte meinen, dass er nach einem solchen Abend tief und fest schläft«, entgegnete Max freundlich. »Oder vielleicht könnten Sie ihm hiermit dabei behilflich sein.« Er griff in seine Tasche und zog eine kleine Phiole heraus. »Falls Sie befürchten, dass er aufwachen und feststellen könnte, dass seine Gattin verschwunden ist.«
Victoria fing sie auf, als er sie ihr leichthändig zuwarf. »Was ist das?« Aber sie wusste es schon. Es war ein Betäubungsmittel. Max schlug vor, dass sie ihren Mann betäubte.
»Man nennt es salvi . Schutz. Sicherheit. Es ist manchmal recht nützlich.«
»Solange man sich nicht dabei erwischen lässt, wie man es verabreicht, und es anschließend selbst trinken muss.« Victoria musterte das kleine Fläschchen, dann sah sie Eustacia an, die während ihres Schlagabtauschs ungewöhnlich still geblieben war. Es schien fast so, als wüsste sie, dass eine Einmischung nutzlos wäre.
Könnte sie Phillip wirklich betäuben?
War es überhaupt nötig?
Falls sie es nicht täte, würde er dann aufwachen und bemerken, dass sie weg war? Wenn sie nicht an seiner Seite läge, wo sie sich während der letzten zwei Wochen zu schlafen angewöhnt hatte, würde
Weitere Kostenlose Bücher