Das Buch der Vampire 01 - Bleicher Morgen
dem großen Bett zusammengerollt und so getan, als würde sie einschlafen, während sie darauf wartete, dass das Betäubungsmittel wirkte.
»Haben Sie das salvi benutzt?« Max’ Frage katapultierte sie
zurück in die Gegenwart, aber nicht weg von ihrem schlechten Gewissen.
»Ja, denn mir blieb ja keine andere Wahl, um seine Sicherheit zu gewährleisten, richtig?«
Er sah sie an. »Sie hatten sehr wohl eine Wahl, Victoria. Und wie Sie wissen, glaube ich, dass Sie die falsche getroffen haben.«
Zorn kochte in ihr hoch und gesellte sich zu dem schwelenden Gefühl der Reue. »Und Sie wissen, dass Ihre Meinung für mich von keiner großen Bedeutung ist.«
»Ein Umstand, der mich zutiefst betrübt.«
»Wissen Sie, was ich denke?«
Max neigte den Kopf, und sie bemerkte in dem gedämpften Licht, wie er eine Augenbraue hochzog. »Ich bin sicher, Sie werden es mir sagen.«
»Ich denke, dass Sie eifersüchtig sind. Dass pure, schlichte Eifersucht an Ihnen nagt und Sie deshalb niemals etwas Nettes sagen können.«
»Eifersucht?«
»Ja, Eifersucht auf das, was ich mit Phillip teile. Was Sie nicht haben und auch niemals haben werden, weil Sie so kalt und grausam sind.« Die Worte purzelten nur so aus ihr heraus, so als wüsste sie gar nicht, was sie da sagte - aber sie wusste es, und sie wusste, dass sie ihn verletzen wollte, so wie er sie verletzt hatte, indem er auch noch Salz auf ihr verwundetes Herz gestreut hatte. Auf ihr schuldiges, verwundetes Herz.
Ihre Gefühle - diese starken, aufwühlenden Emotionen - machten ihr Angst, denn tief in ihrer Seele befürchtete sie, dass Max am Ende Recht haben könnte.
Vielleicht hatte sie wirklich einen Fehler gemacht.
Max verbrachte die restliche Fahrt nach Vauxhall Gardens reglos wie ein Stein.
Als sie angekommen waren, gab er seinem Kutscher die entsprechenden Anweisungen. Dann bezahlte er für sich und Victoria die vier Shilling Eintritt, bevor er auf den gewundenen Weg zusteuerte, ohne sie weiter zu beachten.
Orangefarbene, blaue, gelbe und rote Lampions waren überall in dem Vergnügungspark aufgehängt und warfen ihren hellen, bunten Schein auf den Steinweg und die Buden, die Schinkenscheiben, Kuchen und Punsch feilboten. Obwohl sie noch nie in den Vauxhall Gardens gewesen war, wusste Victoria, dass es hier eine Vielzahl verborgener Nischen und geheimnisvoller Grotten gab - die sich bestens für einen Mord oder eine Vampirattacke eigneten. Überall schlenderten Menschen herum - Paare, Trauben junger Mädchen mit ihren Anstandsdamen und jede Menge junger Männer auf der Suche nach einem Abenteuer. Das Feuerwerk hatte vor einer halben Stunde geendet, und die Gäste machten sich allmählich auf den Rückweg zu ihren Kutschen.
Victoria war noch nicht weit in den Park hineingegangen, als plötzlich eine Eisschicht ihren Nacken überzog. Sie schätzte, dass mindestens zehn Vampire in der Nähe sein mussten. Um mehr Bewegungsfreiheit zu haben, hatte sie sich heute Nacht für Hosen und ein Herrenhemd entschieden.
Max ging voraus, und gerade als Victoria meinte, ihr Nacken müsse inzwischen weiß vom Frost sein, stießen sie auf eine Gruppe von vier Untoten, die mit sieben jungen Männern ihr Spiel trieben.
Vielleicht mussten Victoria und Max gleichermaßen Dampf ablassen, denn der Kampf war kurz und einseitig. Alle vier Vampire
waren gepfählt, kaum dass ihre potenziellen Opfer sich in Sicherheit gebracht hatten.
Da nur wenige Fangzähne entblößt worden und die sieben jungen Männer in Weinlaune waren, hielt Max es für unnötig, sie zu hypnotisieren, um ihre Erinnerung auszulöschen. Stattdessen drängte er Victoria, ihm einen dunkleren Pfad hinabzufolgen.
Sie umrundeten gerade einen großen, dichten Busch, als drei Vampire heraussprangen und sich auf sie stürzten. Einer von ihnen hatte ein Messer, und noch bevor Victoria reagieren konnte, fühlte sie einen heißen, stechenden Schmerz an ihrem linken Arm.
Mit einem wütenden Schrei riss sie den rechten hoch und rammte dem Vampir den Pflock in die Brust. Sie hörte zwei leise Knackgeräusche, als Max die beiden anderen erledigte, dann drehte sie sich um und lief ohne ein weiteres Wort den Pfad entlang.
Ihr Arm brannte, und als sie den Ärmel ihrer Jacke berührte, merkte sie, dass er feucht war. Das einzig Gute an der Wunde war, dass der Blutgeruch jeden anderen Vampir in der Gegend anlocken würde, sodass Max und sie es leichter hätten, ihre Arbeit zu verrichten, bevor sie dann endlich zur Kutsche zurückkehren
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