Das Buch der Vampire 01 - Bleicher Morgen
ihre Geheimnisse preiszugeben.«
Verbena öffnete den Mund zu einer Erwiderung, und Victoria bereitete sich auf eine weitere Runde der Einwände vor, doch das erwies sich als unnötig. »Wenn Sie nach St. Giles gehen, dann komme ich mit.Aber Sie werden kein Kleid anziehen, Miss Victoria. Sie müssen sich als Mann verkleiden.«
»Selbstverständlich. Danke, und mach dir keine Sorgen. Du wirst bei mir sicher sein. Aber wir dürfen keine Zeit verlieren, deshalb werden wir es heute Nacht tun.«
»Heute Nacht?« Verbena glotzte sie an. »Im Dunkeln? Aber Miss Victoria...«
»Heute Nacht, Verbena. Und du sagst, dein Cousin ist Droschkenkutscher? Das ist perfekt. Kannst du dafür sorgen, dass er uns um Mitternacht abholt?«
»Um Mitternacht?«
Victoria sah, wie wild der Puls am Hals ihrer Zofe schlug. »Heute um Mitternacht, Verbena. Wenn die Vampire auf der Pirsch sind.«
Phillip de Lacy, der Marquis von Rockley, nahm neben seiner Begleiterin Platz. »Sie sehen zauberhaft aus, Miss Grantworth«, sagte er, als sie sich auf den Weg in den Park machten. Sein Butler und ihre Zofe saßen auf der kleinen, erhöhten Sitzbank im hinteren Teil des Einspänners, Phillip und Victoria vorne.
»Ich könnte dasselbe von Ihnen sagen, Lord Rockley.«
»Wirklich? Das muss wohl an meiner Gesellschaft liegen.« Er sah wieder zu ihr hinüber und betrachtete sie. Ihre helle Haut hatte eine matte, rosafarbene Tönung, von der er hoffte, dass sie mit ihm zusammenhing. Und wie schaffte es ihr schlanker Hals nur, das ganze Gewicht ihres dunklen Haares zu tragen? Er malte sich aus, wie es wohl aussehen würde, wenn es nicht an ihrem Hinterkopf aufgetürmt war. Wie lang war es? Er erinnerte sich daran, wie es an dem Tag auf den Feldern, als sie ihn zurechtgestutzt hatte, als Masse dunkler Ringellocken über ihre Schultern und Arme gewogt war.
»Es ist ein wunderschöner Tag.« Sie klang ein wenig atemlos, unsicher. Vielleicht war sie heute zum ersten Mal allein - oder zumindest fast allein - mit einem Mann.
Er lächelte über diesen erfreulichen Gedanken, dann sah er zum Himmel hoch und begann zu lachen. »Das nennen Sie einen schönen Tag, Miss Grantworth? Mit diesen regenschweren, zusammengeballten grauen Wolken? Auch wenn die Sonne hin und wieder durchblitzt, hatte ich schon befürchtet, Sie könnten sich gegen diesen Ausflug heute entscheiden, aus Angst, dass der Regen einsetzen und Ihr Kleid ruinieren würde.«
Er beobachtete, wie sie den Blick nach oben richtete, um zu sehen, was er gesehen hatte: kissenartige, grau-weiße Wolken, die den Himmel überzogen und ihn farblos wirken ließen.
»Ich mag Regen eigentlich ganz gern«, erwiderte sie entschieden, aber mit einem kleinen Lächeln. »Durch ihn weiß ich die sonnigen Tage umso mehr zu schätzen.«
»Eine hübsche Antwort, Miss Grantworth, und aufrichtig wie immer. Und ich dachte schon für einen kurzen Moment, Sie würden nun in die Konvention verfallen, über das Wetter zu reden, statt über andere, interessantere Dinge. Können Sie die Feuchtigkeit in der Luft riechen?«
»Es ist mir zuvor gar nicht aufgefallen, Lord Rockley, aber der Wind bringt tatsächlich den Geruch von Regen mit sich.«
»Bitte glauben Sie nicht, dass ich mein Versprechen vergessen habe, mit Ihnen über die Felder und Wiesen zu reiten, aber ich fürchtete, ein Schauer könnte unserem Ausritt einen Strich durch die Rechnung machen, und wusste, dass Sie in meinem Einspänner besser geschützt sein würden.«
»Lord Rockley, ich glaube, nun ist es an mir, ein kleines Geständnis abzulegen.«
Er wandte sich ihr neugierig zu und sah, dass sie den Blick abwechselnd auf ihre Finger richtete, dann nach vorn und schließlich auf ihn. Wo war seine kühne Freundin geblieben? »Ich bin überaus gespannt. Bitte, gestehen Sie, was Sie wollen.«
Und dann kam ihm der Gedanke, dass ihm ihr Geständnis vielleicht nicht gefallen würde. Was, wenn sie es für nötig befand, ihm den Namen eines anderen Verehrers zu enthüllen?
»Ich bin sicher, Sie erinnern sich an den Tag, nachdem Sie vom Pferd gestürzt waren und wir uns auf dieser Wiese erneut begegneten. Ich war in der Hoffnung hingegangen, Sie wiederzusehen, aber natürlich war ich alles andere als überzeugt, Sie auch dort anzutreffen.«
Er lächelte, und die Erleichterung lockerte seinen Griff an den Zügeln. »Sie hätten vermutlich einen anderen Weg gefunden, mich aufzuspüren, um sich für Ihre harschen Worte zu entschuldigen, nicht wahr, Miss
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