Das Buch der Vampire 01 - Bleicher Morgen
Grantworth?«
Sie lachte, und er war entzückt, dass sie die Ironie in seinen Worten erkannt und sich daran erinnert hatte, dass sie noch nicht einmal auf den Gedanken gekommen war, sich dafür zu entschuldigen, ihm das Fell über die Ohren gezogen zu haben. Das war ein Teil dessen, was sie für ihn so faszinierend machte. Sie war nicht gerade zart besaitet, diese Miss Grantworth von früher... oder von heute. Er war mehr als entzückt.
»Wie die Dinge lagen, musste ich Sie, wenn ich mich recht entsinne, weder aufspüren, noch mich entschuldigen, Lord Rockley, denn Sie erwarteten mich auf dieser Wiese - und Sie waren es, der um Verzeihung bat.« Sie sah ihm direkt in die Augen. »Das war das erste Mal, dass ich Blumen von einem Mann bekam... und ich besitze noch immer das rosafarbene Band, mit dem Sie sie zusammengebunden hatten.« Zum Beweis krempelte sie ihren Handschuh zurück, sodass ein Stück ihres Unterarms und der blassrosa Streifen Satin, den sie darum geschlungen hatte, sichtbar wurden.
»Ihr Geständnis erfüllt mich mit großer Freude, Victoria.« Zum Teufel mit der Etikette. Er hatte sie während jener Wochen im Sommer beim Vornamen genannt, und es kam ihm töricht vor, formell zu sein, während sie diese Momente Revue passieren ließen.
Er hatte sie vom Hauptweg des Regent’s Park wegnavigiert und war in einen ruhigeren Teil abgebogen. Nachdem er den Einspänner neben einem kleinen Dickicht aus Flieder und Forsythien
zum Stehen gebracht hatte, schlang er die Zügel locker um den kleinen Pfosten, der genau zu diesem Zweck dort aufgestellt war.
Er griff nach ihrer Hand und sagte: »Miss Grantworth, Sie würden mir eine große Ehre erweisen, wenn Sie mich Phillip nennen würden, so wie damals.« Er merkte, dass seine Stimme tiefer geworden war, wie immer, wenn er ernst wurde, deshalb zwang er sich, Victoria mit ungezwungener Miene anzuschauen. Vielleicht war es zu früh, zu vertraut, aber zur Hölle, er musste sich schon damals in sie verliebt haben, denn er hatte sie nie vergessen. Er bekam sie einfach nicht mehr aus dem Kopf. Hatte praktisch einen Narren aus sich gemacht, als er sie vor ein paar Abenden bei den Straithwaites aufgespürt hatte. Gott sei Dank war er so spät eingetroffen, dass er das verdammte Hauskonzert verpasst hatte.
Wie es schien, hatte sie, nachdem er ihrer lückenhaften Erinnerung auf die Sprünge geholfen hatte, ihn ebenfalls nicht vergessen.
»Phillip ist ein so kraftvoller Name«, erwiderte Victoria, doch sah sie dabei nicht ihn an, sondern beobachtete, wie seine Finger jeden einzelnen ihrer eigenen, behandschuhten nachzeichneten. »Er passt zu Ihnen. Und Sie dürfen mich gern weiterhin Victoria nennen, so wie damals.«
Und dann, so als wären ihre Worte irgendeine Regieanweisung gewesen, öffneten sich die Wolken, und ein lauter, sintflutartiger Platzregen setzte ein. Das erschrockene Quieken ihrer Zofe im hinteren Teil des Einspänners zog Victorias Aufmerksamkeit auf sich, doch Phillip hielt sie davon ab, sich nach ihr umzudrehen, indem er ihr sanft die Hand an die Wange legte.
Er würde jede Chance nutzen, um ihre makellose Haut zu berühren.
»Mein Butler wird sich um sie kümmern. Und ihre kurzfristige Abgelenktheit erlaubt mir, das hier zu tun.«
Er lehnte sich an sie heran und berührte ihre Lippen mit seinem Mund. Sie duftete nach Blumen und irgendeiner Art von Gewürz, und obwohl er sie kaum zu schmecken bekam, waren ihre Lippen warm und feucht.
Sie zuckte nicht erschrocken zurück, sondern drängte sich stattdessen enger an ihn heran und neigte den Kopf zur Seite, damit ihre Münder besser zusammenpassten. Viel besser. Um sie herum prasselte der Regen hernieder und sprühte feinen Dunst auf die Ecken der Sitzbank und ihre Schuhe. Ihre Nasenspitze, die kühl war von der feuchten Luft, strich an seiner warmen Wange entlang, als sie sich küssten. Er ließ ihre Hand los und schloss die Finger sanft um ihren Oberarm, dann zog er sie so nah zu sich, dass ihre zarten Brüste seine Jacke streiften. Noch nicht nahe genug, aber er war geduldig.
Oder vielleicht war er das auch nicht.
Sie schmeckte so süß, wie er es sich ausgemalt hatte, und er wollte mehr von ihr kosten. Bedächtig vertiefte er den Kuss, um sie auf die Probe zu stellen... und sie enttäuschte ihn nicht. Sie öffnete ihm ihren Mund, und er empfand einen Rausch des Verlangens, als ihre Lippen und Zungen miteinander spielten. Der Brokat ihres Mantels raschelte unter seinen Fingern, und als sie nach
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