Das Buch der Vampire 02 - Schwärzeste Nacht
war Victoria dankbar dafür, dass der Gang nicht breit genug war, um drei Männer nebeneinander darin stehen zu lassen. Durch seinen stämmigen Körper hinderte der Wächter seine Gefährten wirkungsvoll daran, an ihm vorbeizustürmen und sie anzugreifen.
Wenn sie sie nur dazu bringen könnte, sich von Polidoris Zimmer wegzubewegen, würde es Sebastian vielleicht gelingen, ihm zur Flucht zu verhelfen. Irgendwie. Während sie es mit der Taktik versuchte, ihre Gegner einen nach dem anderen zu vernichten - ihre einzige Option.
Jeder andere Gedanke löste sich in Luft auf, als der Wächter die Hand um ihre Schulter schloss und zudrückte. Er stand genau dort, wo sie ihn haben wollte... nahe genug, um zuzustechen. Sieh ihn nicht an , ermahnte sie sich selbst. Es wäre ein
Leichtes für ihn, sie mit seinem hypnotisierenden Blick in Bann zu schlagen.
Scharfe Nägel gruben sich in ihre zarte Schulter, aber sie vergaß das unangenehme Gefühl, als er sich näher beugte und mit leiser, bedrohlicher Stimme zischte: »Wie herrlich dein frisches Blut duftet. Soll ich mich jetzt gleich an dir laben, meine Schöne?«
Wäre sie nicht aus dem Gleichgewicht geraten, als er ihrer Schulter einen Stoß versetzte, hätte ihr Pflock sein Herz durchbohrt.
Stattdessen traf der angespitzte Eschenholzstock seinen Unterarm, als wäre es eine Ziegelmauer. Das unerwartete Hindernis blockte ihren Stoß ab, es stauchte ihr den Arm, und sie spürte ein hässliches Knacken in ihrem Handgelenk. Und Schmerz. Rasenden, höllischen Schmerz in ihrem grotesk verdrehten Handgelenk. Stöhnend taumelte Victoria zurück, und vor ihren Augen tanzten dunkle Flecken, die sie nur mit Mühe vertreiben konnte.
»Was haben wir denn hier?«, knurrte der Wächter. Seine glimmenden Augen wurden zu Schlitzen, als er zu Victoria hinuntersah, die ihm gerade bis zu den Achseln reichte. Er hielt noch immer ihre Schulter fest, aber sie entwand sich seinem Griff, als er sie zu sich ziehen wollte.
Sieh ihn nicht an .
»Ein verwegenes kleines Mädchen.Vielleicht bist du ja meine Belohnung für heute.«
Victoria hatte zwar die schwarzen Flecken weggeblinzelt, aber als sie jetzt versuchte, die Augen wieder zu fokussieren, nahm der Blick des Vampirs sie gefangen.
Die Wirkung des Bannes trat sofort ein. Sie hatte das Gefühl, als versinke sie in einem Tümpel aus weichem, rosarotem Samt.
Ihre Atmung veränderte sich, wurde langsamer; ihre Gliedmaßen kamen ihr so leicht vor wie Federkissen. Der Puls an ihrem Hals raste. Sie spürte, wie ihr Blut zu brodeln begann und sich nach dem geübten, scharfen Biss verzehrte, der es erlösen würde.
Es strömte warm, heiß und prickelnd durch ihre Venen. Es sprudelte und brodelte, als würde der Vampir ihren Lebenssaft zu sich rufen, es wogte und brandete mit jedem Atemzug. Ihre Sinne erwachten, wurden lebendig und doch träge... aufgeregt und doch schläfrig... so als ob sie sich mitten in der Nacht halb wach und halb erregt Phillip zuwenden würde.
Matt kämpfte ihr Bewusstsein darum, sich an der Oberfläche festzukrallen, den Bann zu durchbrechen. Sie musste dem Vampir Einhalt gebieten.Aber dieser Sog... Er hüllte sie ein wie eine unaufhaltsame Wassermasse, die auf sie zustürzte, um sie zu ertränken. Sie wehrte sich... wenn es ihr doch nur gelänge, zu blinzeln, ihre trockenen, offenen Augen auch nur für einen Moment zu schlie ßen... Wie von fern nahm sie eine Bewegung, Rufe wahr... Aber sie konnte nicht reagieren. Konnte sie nicht zuordnen.
Ihre Arme prallten gegeneinander, so als ob jemand sie bewegte, dann fiel der Pflock aus ihren schlaffen Fingern; etwas Hartes stieß gegen ihr malträtiertes Handgelenk... etwas Hartes und Geschwungenes, das nicht hierher gehörte... Ihr Kopf kippte zur Seite, sodass die Hitze ihrer Schulter eine Seite ihres Halses wärmte, während die andere feucht und kühl und verletzlich war.
Ihre Hände flatterten, als wollte sie ihn abwehren, aber er war zu nahe... zu stark. Glühendes Rubinrot füllte ihre Wahrnehmung. Heißer Atem näherte sich, zusammen mit verführerischen, Erlösung verheißenden Fangzähnen, die gelb-grau im Halbdunkel funkelten.
Victoria fühlte wieder das harte, schmale Ding unter ihrem
Ärmel, als ihr die Arme nach oben gegen den Körper gedrückt wurden, und plötzlich hatte sie einen Moment der Klarheit. Es war die Phiole mit dem Weihwasser.
Pater noster . Sie dachte es. Dann sagte sie es laut. » Pater noster, qui es in caelis ...«
Es war wie ein plötzlich
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