Das Buch der Vampire 02 - Schwärzeste Nacht
eines Venators zu spüren, so wie sie die ihre spüren konnte. Sie würden vielleicht ihre Anwesenheit als Mensch wittern, aber nachdem das Haus voller Sterblicher war, mussten sie, solange Victoria sich still und ruhig verhielt, nicht zwangsläufig feststellen können, woher oder aus welcher Entfernung genau die Wahrnehmung kam.
Victoria hielt den Atem an, als die vier Untoten über den Flur fegten, ohne sich auch nur zu bemühen, ihre Schritte zu dämpfen.
Die Vampire kamen so nahe an ihrem Versteck vorbei, dass sie nur die Hand hätte ausstrecken müssen, um nach dem Stiefel des letzten zu greifen, dann waren sie schon an ihr vorbei- und die
Treppe hinaufgelaufen. Wenn sie Glück hatte, würden sie sich anschließend trennen, sodass sie sich einen nach dem anderen vornehmen konnte.
Victoria trat hinter dem Schutz der Säule hervor, hielt sich jedoch weiterhin in den Schatten, wobei sie sich so positionierte, dass sie zwischen dem Treppengeländer, das sich über ihr nach oben schlängelte, hindurchblicken konnte. Die vier schienen kein Interesse daran zu haben, sich zu trennen, also würde sie etwas nachhelfen müssen. Sie löste sich aus der Dunkelheit und schlich entlang der Wand des Foyers zu einem kleinen Tisch neben der Bibliothekstür. Auf ihm befand sich die Büste eines Vorfahren der Claythornes, die Victoria nun auf ihrem Sockel bewegte, sodass der Marmor leise über das Holz schrammte. Anschließend wich sie aus dem Foyer und weg von der Treppe in den angrenzenden Flur zurück, wo sie mittig und gerade außer Sichtweite stehen blieb. Sie versteckte den Pflock in den Falten ihrer Pelerine und schloss die andere Hand um das Kruzifix, um es zu verbergen.
Ihr Trick funktionierte. Sie hörte Schritte die Treppe herunterkommen und hoffte, dass sich ein Einzelner von der Gruppe abgesondert hatte.
Das Glück war auf ihrer Seite, denn es war tatsächlich nur ein Vampir, der vom Fuß der Treppe aus in ihre Richtung kam, zudem auch noch ein Wächter und kein Imperialer.
Victoria blieb mit dem Rücken zur Wand im Korridor stehen, während er auf sie zukam. Die scharfen Metallkanten des Kruzifixes schnitten ihr in die Handfläche. »Bitte, verzeihen Sie, Sir«, stammelte sie. »Ich wollte Sie nicht stören... Oh!« Sie hielt ihren unterdrückten Aufschrei bewusst leise - um nicht andere Bewohner des Hauses in die Falle zu locken - und die
Hand mit dem Pflock in den Falten ihres Nachthemds verborgen.
Der Vampir kam immer näher, und seine rosaroten Augen funkelten vor Belustigung. »Du hast mich nicht gestört«, erwiderte er mit schnurrender Stimme, während er den Arm nach ihr ausstreckte. »Aber vielleicht finde ich Gefallen daran, dich ein wenig zu stören, mein Schätzchen.« Er bleckte die langen, im Dämmerlicht silbrig glänzenden Fangzähne zu einem zufriedenen Grinsen. »Ich habe heute Nacht eine Aufgabe zu erfüllen, aber es wäre wirklich schade, sich das frische Blut einer so schönen jungen Dame entgehen zu lassen.«
Victoria tat so, als würde sie vor Angst zurückzucken, und drehte sich weg, sodass er nicht nach dem Arm mit dem Pflock greifen konnte. Lachend packte er stattdessen den anderen, der abgewinkelt über ihrer Brust lag, um das Kruzifix zu verdecken.
Sie hatten sich den Korridor hinabbewegt, zum rückwärtigen Hausteil, wo die Küchen lagen, und damit weit genug von der Treppe weg, dass die anderen Vampire keine Einzelheiten ihrer Auseinandersetzung hören konnten.
»Falls du gut genug schmeckst, werde ich dir vielleicht das Geschenk der Unsterblichkeit machen«, meinte er mit herablassendem Lächeln. »Dann wirst du für immer so jung und schön bleiben, wie du es jetzt bist, mit deinem langen, dunklen Haar und der milchweißen Haut. Was für einen hübschen, bleichen Hals du doch hast - so lang und schmal und delikat -«
Dann passierte alles sehr schnell: Er schnappte ihr Handgelenk; sie ließ das Kruzifix los und gestattete dem Vampir, ihr den Arm wegzuziehen, sodass sein Blick auf das Kruzifix fiel. Seine Hand sackte nach unten, und er zuckte zusammen. Sein Brustkorb war nun ungeschützt, und Victoria schlug zu.
Ein winziges Ploppen, gefolgt von einem Fft , und der geschwätzige Vampir zerfiel zu einem Häufchen Asche.
Victoria konnte sich nicht helfen, sie musste einfach grinsen - besser hätte sie es auch nicht inszenieren können. Aber bevor sie die Verfolgung der anderen aufnahm, verharrte sie für einen Moment, um zu lauschen. Mit etwas Glück würde sich einer der drei
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