Das Buch der Vampire 02 - Schwärzeste Nacht
Victoria fand die Wand und tastete sich mit möglichst leisen Bewegungen an ihr entlang, während sie darum betete, dass der Gang sich nicht als Sackgasse erweisen würde.
Zumindest hatte sie hier unten den Vorteil von räumlicher Enge, so wie es auch bei ihrem Kampf gegen die Vampire auf Claythorne gewesen war. Falls sie alle die Jagd auf sie eröffnen sollten, hätte sie eine bessere Chance, wenn sie sie einen nach dem anderen abwehren könnte, als wenn sie im Pulk über sie herfielen.
Wer auch immer hinter ihr her war, holte auf; ein rascher Blick nach hinten zeigte ihr die flammenden Augen eines Vampirs. Seine Nachtsicht verschaffte ihm in diesem stockfinsteren Tunnel einen entscheidenden Vorteil.
Den Pflock angriffsbereit gezückt, beschleunigte Victoria ihr Tempo.Wenn sie die Gelegenheit hätte, einen Moment lang stehen zu bleiben, könnte sie die andere Phiole mit Weihwasser aus ihrem Strumpfband ziehen; allerdings würde sie es brauchen, falls sie entkam, um es über ihre Bisswunden zu schütten.
Sie pochten und bluteten stark; sie fühlte das Blut ihren Hals hinunter und über ihre Arme laufen. Es war eiskalt auf ihrer Haut und hatte nichts mehr von dieser samtigen Erlösung, die sie empfunden hatte, als die Vampire von ihr tranken.
Sie streckte eine Hand vor sich aus und rannte, so schnell sie konnte, aber sie war blind, und der Vampir nicht. Er war nun so nahe, dass er sie an ihrem Kleid packte, aber Victoria riss sich los,
sprang zur Seite und wieder zurück, um ihn aus dem Konzept zu bringen.
Hinter ihnen ertönten Schritte; wenigstens ein weiterer Vampir kam näher. Sie konnte ihrem Gegner nicht länger davonlaufen; früher oder später würde sie vor einer Tür, einer Mauer oder einem anderen Hindernis landen, und er würde es längst gesehen haben, bevor sie es ertasten konnte.
Seit sie dem hypnotischen Rauch im Versammlungssaal der Tutela entkommen war, schien ihr Geist wieder etwas klarer zu sein, und Victoria beschloss, etwas Drastisches zu versuchen. Denn sie hatte in einiger Entfernung einen schwachen Lichtschimmer bemerkt.
Wo Helligkeit war, musste eine Tür und womöglich sogar Tageslicht sein.War es schon spät genug? Sie hatte Stunden hier verbracht... aber war die Morgendämmerung schon nahe genug?
Sie setzte zu einem letzten Sprint an, preschte im Slalom zu einer Seite und hechtete auf die andere. Der Vampir erkannte ihr Manöver nicht rechtzeitig, sodass er stolperte und flach zu Boden stürzte.Victoria war mit einem Satz bei ihm, fasste nach seinem Genick und jagte ihm den Pflock in den Rücken. Er zerfiel unter ihr zu Staub.
Doch in diesem Moment kam ein dritter Vampir auf sie zugeschossen und riss sie an ihren Haaren auf die Füße. Der jähe Schmerz ließ Victoria leise aufschreien. Seine Augen glühten vor Zorn, als er die Finger um ihren blutüberströmten, glitschigen Hals schloss. Ihr bösartiges Funkeln erhellte den engen Tunnel gerade ausreichend, dass sie einen Teil seines Gesichts sehen konnte. Sie erkannte ihn. Der Sechste. Keiner der ausgehungerten, verwilderten Vampire, sondern ihr Anführer.
»Wer bist du?«, knurrte er und schüttelte sie unsanft.
Sie wollte ihren Pflock heben, aber er fing ihre Hand mitten in der Bewegung ab und stieß sie gegen die Wand. Sie war kalt, und Victoria fühlte Erde und Sand auf ihre nackten Schultern rieseln.
»Wer bist du, dass du zwei der meinen töten konntest?« Er kam noch näher, und sie roch das Blut in seinem Atem, altes Blut und den Gestank von Verdammnis.
Ihre andere Hand war frei, und sie versuchte, sie unter ihren Rock zu schieben, um die Phiole mit Weihwasser hervorzuziehen, aber er war zu schnell und blockte auch diesen Versuch ab. Ihre beiden Hände umklammernd, drückte er sie gegen die feuchtkalte Steinmauer. Sein Griff war so brutal, dass sie den Pflock fallen lassen musste. »Ein Venator, natürlich. Ich habe noch nie einen Venator gekostet.«
Die roten Augen kamen näher, und sie wartete, bis er kurz davor war, die Lippen an ihre Haut zu pressen. Durch die Körperkraft des Vampirs im Gleichgewicht gehalten, zog sie plötzlich beide Beine an und trat ihm mit voller Wucht gegen die Schienbeine.
Er war so überrascht, dass sie sich freiwinden konnte, um nach dem zweiten Pflock in ihrem Haar zu tasten, aber er war herausgefallen, als er sie auf die Füße gezerrt hatte. Victoria warf sich so heftig gegen den Vampir, dass sie ihm die Balance nahm, dann rannte sie auf den schwachen Lichtschein zu.
Er war hinter
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