Das Buch der Vampire 02 - Schwärzeste Nacht
begrapschten, an ihr nagten. Sie fühlte, wie unter ihrem Mieder etwas Schweres zur Seite rutschte und dann mit einem sanften Ruck in ihrem Genick freikam.
Überraschte und panische Schreie ertönten, die Hände, die sie festhielten, verschwanden, und Victoria spürte, wie sie fiel, bevor sie ein zweites Mal unsanft auf dem Boden landete.
Ihr Kruzifix schlug gegen ihre Brust, und sie griff unwillkürlich danach und hielt es wie einen kleinen Schutzschild vor sich hoch, während sie die andere Hand auf die hölzerne Empore stemmte.
Obwohl sein plötzliches Auftauchen die Vampire überrumpelt hatte, würde das Kruzifix sie nicht lange aufhalten; jeder der anwesenden Sterblichen könnte es ihr aus der Hand reißen und sie wieder den hungrigen Bestien ausliefern.
Victoria tastete mit den Fingern wie wild auf dem Boden herum,
um einen Halt zu finden, mit dessen Hilfe sie sich in eine aufrechte Position hochstemmen könnte, als sie plötzlich auf etwas anderes als poliertes Holz stieß. Metall. Das im Boden verankert war.
Sie war noch benebelt, aber seit die Vampire aufgehört hatten, von ihr zu trinken, hatte sie wieder mehr Kontrolle über sich, und sie spürte, wie Teile ihrer Kraft und geistigen Klarheit zurückkamen. Sie besaß die Geistesgegenwart, die Finger um das Metallobjekt zu schließen, und trotz ihrer Benommenheit erkannte sie es als Scharnier. Im Boden.
Wo Scharniere waren, musste - bitte, Gott - auch eine Tür sein.
Wieder griffen Hände nach ihr, die versuchten, ihre Finger von dem Kruzifix zu lösen, um es ihr über den Kopf zu ziehen und sie wieder den Vampiren zu übergeben.Victoria bäumte sich auf, um dem jämmerlich schwachen Sterblichen - Zinnani - auszuweichen, der sich nun anstelle der Vampire über sie beugte.
Sie hörte auf, gegen seine Hände anzukämpfen, wand sich stattdessen hin und her, bis sie mit dem Gesicht auf dem Boden lag, blendete aus ihren Gedanken aus, was über und hinter ihr geschah, und suchte stattdessen fieberhaft nach einem Türgriff. Wo ließ sich die Tür öffnen? Als sie fühlte, wie jemand - oder etwas - an ihrer Halskette riss, trat sie nach hinten aus, sodass ihr Fuß auf etwas ziemlich Weiches, Schwammiges traf, und sie war inzwischen klar genug, um zu hoffen, dass es die Genitalien irgendeines Mannes waren. Zinnanis, falls sie Glück hatte.
Sie lag direkt auf der Tür; jetzt, da die Schatten über und hinter ihr zurückwichen, konnte sie die vagen Umrisse der Bodenluke sehen und begriff, dass ihr eigenes Gewicht diese daran hinderte aufzugehen. Falls sie alt und verklemmt oder verriegelt oder am Ende überhaupt keine Tür war, war sie verloren.
An ihrer Taille fanden ihre Finger, was sie suchten, und Victoria spannte sich kampfbereit an.
Sie spürte die Kette mit dem Kruzifix nachgeben, spürte, wie sie in ihren Hals einschnitt, bevor sie einen Moment später zerriss, hörte das entzückte Grölen der Menge, das über sie hinwegschwappte, als die Vampire sich wieder auf sie stürzten, um ihr tödliches Werk zu vollenden.
Victoria wälzte sich blitzschnell von der Tür weg, rammte mit dem Körper die Füße der Vampire und schüttete ihnen die Phiole mit dem salzigen Weihwasser entgegen. Kreischend taumelten sie zurück, und sie zog mit einem heftigen Ruck an dem Griff im Boden.
Er klemmte kurz, dann schlug die Klappe direkt neben der Stelle, an der sie kauerte, mit lautem Krachen zu Boden, und Victoria rollte sich durch die Öffnung.
Ihr Kleid verfing sich an dem groben Rand der Luke, aber das verhinderte ihren Fall nicht. Das Lichtquadrat über ihr verschwand, als die Tür hinter ihr zufiel und sie unten landete.
Sie wurde sofort wieder aufgerissen, und gelbes Licht fiel auf die Stelle, wo sie aufgekommen war. Gegen eine raue Mauer streifend, rappelte sie sich auf die Füße, als auch schon einer der Vampire durch die Öffnung sprang und eine Sekunde später neben ihr stand.
Seine roten Augen im Halbdunkel funkelnd, stürzte er sich auf sie.
Victoria war bereit. Die Hand fest um den Pflock geschlossen, stieß sie ihn dem Untoten mit beträchtlicher Genugtuung ins Herz.
Noch bevor seine Asche zu Boden gerieselt war, stürmte sie schon in die Dunkelheit, darauf hoffend, dass der Weg, den sie
einschlug, sie irgendwohin führen würde. Hinter ihr wurden dröhnende Schritte laut; doch sie blieb nicht stehen, um festzustellen, ob es sich um einen rotäugigen Vampir handelte oder dieses Mal ein wagemutiger Sterblicher ihre Verfolgung aufgenommen hatte.
Weitere Kostenlose Bücher