Das Buch der Vampire 02 - Schwärzeste Nacht
herumzukramen, den sie von ihrem Handgelenk gezogen hatte.
»Wir sind sehr froh, dass Sie keinen schlimmeren Schaden erlitten haben«, tröstete Kritanu sie mit seiner weichen Stimme. Von seinem Stuhl aus tätschelte er Victorias Hand, dann drückte er sie liebevoll. »Und um Ihre Frage zu beantworten, Monsieur Vioget ist gestern spätnachts in der Villa Ihrer Tante eingetroffen.«
Victoria drehte sich Sebastian zu, der sie unverwandt beobachtete, seit sie den Salon betreten hatte, und hob fragend die Augenbrauen.
»Mir war nicht bekannt, wo du hier in Venedig wohnst«, erklärte er und lehnte sich in dem offenkundigen Bemühen, entspannt
zu wirken, in seinem Sessel zurück. Er verschränkte die Arme, sodass sich seine gut geschnittene Jacke über den breiten Schultern spannte. »Doch ich wusste, wie ich deine Tante erreichen konnte, und nahm an, dass sie mich mit dir in Kontakt bringen würde, vor allem, da ich mit Informationen gekommen bin, von denen ich glaube, dass sie dich interessieren werden. Es ist sehr bedauerlich, dass ich mit einem Tag Verspätung hier eintraf, denn sonst hätte ich dein scheußliches Erlebnis von letzter Nacht vermutlich verhindern können.«
»Und wie, bitte schön?« Victoria war sein unentwegtes plötzliches Auftauchen und seine mysteriösen Ankündigungen allmählich leid. Ständig schien er etwas zu verbergen. Oder zu versuchen, etwas zu bekommen.
»Ich hätte dir sagen können, dass Nedas in Rom ist, und nicht hier in Venedig. Und wenn du die Tutela infiltrieren willst, in der Hoffnung, ihn auf diese Weise aufzuhalten, wird dir das hier nicht gelingen. Schon gar nicht an der Seite von Graf Benedetto Alvisi.«
»Und du hast bist jetzt gewartet, um mich darüber in Kenntnis zu setzen? Warum hast du es mir nicht gesagt, bevor ich London verließ? In der Kutsche?« Ihre Worte pulsierten im Gleichtakt mit den zornigen Venen an ihrem Hals.
Er breitete die Hände aus. »Ich wusste es zum damaligen Zeitpunkt noch nicht.«
»Victoria, sag uns jetzt endlich, was letzte Nacht geschehen ist«, unterbrach Eustacia sie und schloss ihre arthritischen Finger um die ihrer Großnichte. Sie waren kühl, aber kraftvoll, die Haut weich und strukturiert, mit dicken, knotigen Adern. »Und hier ist ein wenig Salbe für deine Wunden.«
Erleichtert wandte Victoria sich von Sebastian ab und lieferte
eine detaillierte Beschreibung der Ereignisse während der Tutela-Versammlung.
»Also bist du allein gegangen, ohne irgendwelche Vorkehrungen zu treffen für den Fall, dass etwas schiefgehen könnte.«
Victoria erdolchte Sebastian mit Blicken. »Ich bin ein Venator und muss gewisse Risiken eingehen, so hoch sie auch sein mögen.«
Eustacia holte Luft, so als wollte sie zum Sprechen ansetzen, aber Victoria, die nicht getadelt werden wollte, vor allem nicht vor Sebastian, schnitt ihr das Wort ab. »Ich gebe jedoch zu, dass ich die Möglichkeit in Betracht hätte ziehen müssen, dass die Dinge nicht so sein könnten, wie sie aussahen. Ohne Max war ich gezwungen, allein zu handeln; es gab niemanden, der mich hätte begleiten können, um mir zu helfen, sollte das Unterfangen misslingen.Was natürlich geschah. Aber zumindest hatte ich das Glück, fliehen zu können und anschließend aufVerbena und Oliver zu stoßen, die mich nach Hause brachten. Es war keine Erfahrung« - sie nickte Kritanu und ihrer Tante zu -, »die ich gerne wiederholen möchte.«
»Du hast deine Zofe also nicht beauftragt, dir zu folgen«, bemerkte Eustacia mit jener sorgsam modulierten Stimme, die Victoria verriet, dass sie verärgert oder sogar zornig war.
»Das habe ich nicht. Sie tat es aus eigenem Antrieb.«
»Du hast auch keine Nachricht geschickt, um Kritanu zu bitten, dass er mit dir kommt. Er hätte dir ebenfalls folgen können.«
»Mir blieb nicht die Zeit, euch zu benachrichtigen, denn ich erhielt Alvisis Brief weniger als eine halbe Stunde, bevor er mich abholte.«
»Eine bewusste Entscheidung seinerseits. Er bemüht sich
schon lange, in den inneren Zirkel der Tutela vorzudringen«, warf Sebastian ein.
»Sie scheinen sich selbst überaus gut mit der Tutela auszukennen, Monsieur Vioget«, spottete Victoria.
Sein Lächeln war unverbindlich. »Es ist mir immer wieder eine Freude, dir und all den anderen Venatoren zu Diensten zu sein. Aber wenn du erlaubst, würde ich dir jetzt lieber dabei behilflich sein, Kontakt zu den richtigen Leuten in Roma aufzunehmen« -, er rollte das R mit einem authentischen, italienischen
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