Das Buch der Vampire 03 - Blutrote Dämmerung
Besitzanspruches.« Dieses letzte Wort triefte vor Bitterkeit. »Allerdings verstehe ich nicht, welche Bedeutung das Ganze für dich oder unsere momentane Aufgabe haben sollte. Lass uns jetzt gehen.«
»Du warst ganz allein bei ihr? Umringt von all ihren Wachen? Max, sie hätte dich töten können.« Victoria konnte es nicht einfach übergehen, konnte das Thema nicht fallen lassen. Weshalb hatte er sich nur so in Gefahr gebracht?
Was wäre geschehen, wenn er nicht zurückgekehrt wäre?
Oder … Schlimmeres? Allmächtiger .
Ihr Bombardement von Fragen hatte ihn innehalten und den Blick auf sie richten lassen. Seine Augen waren kalt. »Du verstehst sie noch nicht einmal annähernd, oder? Wenn ich dir einen allerletzten Rat geben dürfte, Victoria, so wäre es dieser: Finde heraus, wer Lilith ist , denn sonst wird sie dich besiegen, wie sie schon so viele andere besiegt hat.« Damit wandte er sich ab und ging zur Tür.
Von neuem verärgert, folgte Victoria ihm. Er war so selbstherrlich und geheimnisvoll. So kühl und abweisend. Warum musste er sich, nach allem, was sie zusammen geleistet hatten, immer so benehmen und sie wie ein naives kleines Mädchen behandeln?
Noch bevor sie ihn erreicht hatte, rollte er schon die Tür zur Seite. Das fahle, graue Licht, das nun durch die Öffnung fiel, hatte etwas Unheilverkündendes an sich. Die Sonne war mittlerweile fast untergegangen, und Max hatte Recht: Sie mussten die Papiere sicher ins Konsilium bringen, bevor Akvan und seine Gefolgsleute feststellten, dass es ihnen gelungen war, sich vor ihnen Zugang zu dem Labor zu verschaffen.
Als Victoria durch die Tür treten wollte, auf deren anderer Seite Max bereits wartete, erinnerte sie sich plötzlich an das Lederband in ihrer Tasche und an den kleinen Obsidiananhänger. Obwohl sie zuvor kurz überlegt hatte, ihn zu behalten und als potenziellen Köder für Akvan zu benutzen, entschied sie sich nun dagegen. Max hatte ihr die Macht des Splitters deutlich vor Augen geführt, und ihr war klar geworden, dass sie ein derartiges Risiko nicht eingehen durfte.
Niemand sollte sagen können, dass sie aus ihren Fehlern nicht gelernt hätte.Vor allem Max nicht.
Aber als sie nun in die kleine Brusttasche ihres Herrenmantels fasste, stellte sie fest, dass diese leer war. Leer! Die Schnur musste herausgefallen sein, irgendwann, nachdem sie das Konsilium verlassen hatte.
Vermutlich war es passiert, als sie den Mantel vor dem Alchimistischen Portal ausgezogen hatte, um Eustacias Armband abzustreifen. Das Lederband musste zu Boden gefallen sein, als
sie sich den Mantel über den Arm gelegt hatte, um den Silberreif nach unten zu schieben. Bestimmt lag es irgendwo da draußen.
»Kommst du endlich?« Max klang so ungeduldig wie eh und je.
Statt zu antworten, ließ Victoria den Blick ein letztes Mal durch das Labor wandern, dann schlüpfte sie durch die schmale Öffnung ins Freie. Der Anhänger würde in dem dämmrigen Licht schwierig zu finden sein, aber sie mussten es versuchen. Sie durfte das Risiko, dass womöglich jemand anderes ihn entdeckte, nicht eingehen. »Max, ich -«
»Pst!«, zischte er plötzlich.
Wäre sie nicht so sehr auf den Verlust des kleineren Splitters konzentriert gewesen, hätte sie es ebenfalls sofort gehört: ein Knacken im Gebüsch ganz in ihrer Nähe. Es kam ungefähr aus Richtung der Villa und war laut genug, um entweder auf eine ganze Gruppe von Neuankömmlingen oder aber auf eine einzige sehr große, sehr unvorsichtige Person schließen zu lassen.
Und dann hörte Victoria Stimmen. Schrille, im Streit erhobene, viel zu laute Stimmen.
Ihr ganzer Körper wurde kalt und starr.
Aber das lag nicht daran, dass ein Vampir in der Nähe gewesen wäre; tatsächlich gab es hier weit und breit nicht einen einzigen Untoten.
Nein, das hier war viel, viel, schlimmer.
Die gespannte Erwartung in Max’ Miene wich einem Ausdruck der Verwirrung. Wäre Victoria nicht dermaßen schockiert gewesen, hätte sie es eventuell sogar amüsant gefunden. Aber so starrte sie einfach weiter in Richtung des Radaus, als
plötzlich etwas - jemand - durch ein paar verwilderte Büsche, die einen alten Pfad überwucherten, gestolpert kam.
»… denke ich, dass du besser zu Hause geblieben wärst, Nilly! Dieser kleine Stock - Oh!« Lady Winifred, die Herzogin von Farnham, blieb so abrupt stehen, dass ihre Begleiterin von hinten in sie hineinlief und dabei Winnies Löckchen und Wangen zum Erzittern brachte. Das handgroße Kruzifix, das die
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