Das Buch der Vampire 03 - Blutrote Dämmerung
dieser Nacht danach zu suchen.
Sie würde das Kupferarmband am Morgen zu Wayren und Max bringen und herausfinden, was sie von alldem hielten. Wenn schon Kupferringe für Liliths Wächtervampire so wichtig waren, was würde ihnen dann erst ein Armband bedeuten?
Während Victoria - nur in ein Nachthemd gekleidet und mit nackten, kalten Zehen - langsam dem Schlaf entgegendämmerte, wurde ihr unterschwellig bewusst, dass sie noch nicht einmal mit dem Gedanken spielte, es Sebastian zu zeigen. Sie hatte ihm so viel anderes gezeigt, so vieles mit ihm geteilt; trotzdem würde sie ihn in Bezug auf Beauregard nicht um Hilfe bitten.
Plötzlich war sie wieder hellwach und starrte durch das Fenster in die dunkelgraue Nacht hinaus.
Sebastian liebte Beauregard. Erst letzten Herbst hatte er Victoria - wohl wissend, wie sie über seinen Großvater dachte - gefragt, ob sie ihn in seinem Beisein töten könnte.Victoria hatte damals keine Antwort gehabt, und sie hatte auch jetzt keine.
Sie wusste, dass Beauregard böse und selbstsüchtig war … doch ein paar von Sebastians Argumenten hatten sich in ihrem Kopf festgesetzt und verhöhnten sie von dort. Er konnte den Gedanken nicht ertragen, dass sein Großvater, von dessen
Vampir-Dasein er erst als Erwachsener erfahren hatte, durch den gut gezielten Stoß eines Pflocks zu ewigem Fegefeuer verdammt werden würde.
Würde Victoria wegen ihrer Gefühle für Sebastian zögern, Beauregard diesen Todesstoß zu versetzen?
Ihre Finger waren kalt geworden. Das, was sie für Sebastian empfand, war so nebulös und zerbrechlich, dass sie nicht wagte, jetzt darüber nachzugrübeln; vielleicht würde sie niemals den Mut dazu aufbringen. Aber ganz gewiss waren ihre Gefühle nicht stark genug, um sie zum gegebenen Zeitpunkt daran zu hindern, ihre Pflicht zu tun. Oder etwa doch?
Nein, ganz bestimmt nicht.
Beauregard war ein Untoter. Er hatte es verdient zu sterben, oder zumindest in Asche verwandelt und an den Ort geschickt zu werden, wo er die Ewigkeit verbringen würde. Victoria hatte die Verpflichtung, die Welt von Vampiren zu befreien, wann immer sich ihr die Gelegenheit dazu bot.
Niemand würde sie davon abbringen. Noch nicht einmal der goldene Engel Sebastian.
Victoria musste irgendwann inmitten dieses Tumults widerstreitender Gedanken eingeschlafen sein, denn sie träumte von Dingen: von gemächlichen, sinnlichen, wogenden, erregenden Dingen … von dunklen, starken, metallischen, zornigen Dingen … von lauten, verdorbenen, Furcht erregenden Dingen.
Sie wachte auf, allerdings waren nicht die Träume der Grund, sondern Verbena, die sich über ihr Bett beugte. Ihre Hände lagen auf Victorias Schultern, so als hätte sie sie gerade geschüttelt.
»Mylady. Mylady, bitte kommen Sie zu sich.«
Als Victoria sich schließlich aufsetzte, lösten sich die letzten
Schemen des Alptraums auf, und ihr Kopf wurde wieder klar. »Was ist los?«
Verbena reichte ihr ein kleines, zusammengerolltes Stück Papier, das nur aus einem der winzigen Behältnisse stammen konnte, wie die Brieftauben sie am Fuß trugen. Ein rascher Blick zum Fenster verriet Victoria jedoch, dass es nicht Myza war, die darauf wartete, ihre Antwort zu Wayren zu bringen. Es war inzwischen so taghell geworden, dass es bereits weit nach Sonnenaufgang sein musste.
Mit trockener Kehle entrollte sie das Schriftstück. Komm unverzüglich.
Victoria hielt sich nicht damit auf, ihr feuchtes, zerknittertes Nachthemd gegen andere Kleidung zu tauschen, sondern warf sich einfach wieder den Herrenmantel über, den sie letzte Nacht getragen hatte, dann machte sie sich auf den Weg. Sie ließ sich von Oliver in der Kutsche fahren, stieg jedoch, nachdem sie sich vergewissert hatte, dass niemand ihr gefolgt war, viele Häuserblocks vor ihrem Ziel aus. Trotzdem brauchte sie keine dreißig Minuten bis zum Konsilium.
Schnell bekreuzigte sie sich, dann sprintete sie auf den Altar der Santo Quirinus zu und an ihm vorbei, durch die Geheimtür des Beichtstuhls, bevor sie leichtfüßig über die mittlere Stufe der kurzen Treppe in den verborgenen Korridor dahinter sprang und anschließend die bereits freiliegende Wendeltreppe hinunterrannte.
Ilias erwartete sie neben dem Brunnen. Sein Gesicht war ernst, und um seinen Mund lagen tiefe Sorgenfalten. »Folge mir.«
Sie eilte mit ihm durch einen aus Stein gehauenen Flur, den
sie nie zuvor betreten hatte. Schließlich blieb er vor einer Tür stehen und bedeutete ihr, einzutreten.
Als Victoria die Tür
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