Das Buch der Vampire 03 - Blutrote Dämmerung
öffnete, sah Hannever auf; er nickte ihr kurz zu, dann verließ er das Zimmer.
Der Raum war klein, jedoch gut beleuchtet und warm. Ein Teppich bedeckte den Fußboden; an einer der Wände stand ein Bett. Victorias Brust fühlte sich eng an, als sie auf die reglose Gestalt zuging, die dort unter den Decken lag. Sie hörte harsche Atemzüge, die klangen, als wären es die letzten, keuchenden Lebenszeichen des Mannes auf dem Bett. Und tatsächlich - als sie näher trat und sein Gesicht sah, als sie das Blut roch, begriff sie, dass sie exakt das waren.
Seine letzten, keuchenden Lebenszeichen.
Ein leiser Schrei entrang sich ihrer Kehle, als sie die Hand ausstreckte, um ihn zu berühren: sein strähniges, zur Hälfte geflochtenes, rotes Haar und den sehnigen Arm, der quer über der breiten Brust lag.
»Zavier«, flüsterte sie. »Was ist passiert?«
An einer leisen Bewegung in ihrem Rücken erkannte Victoria, dass sie nicht mehr allein war; ob Wayren bereits bei ihrem Eintreffen in dem Zimmer gewesen oder ob sie eben erst hereingekommen war, wusste sie jedoch nicht. »Sein Zustand ist sehr bedenklich«, erklärte sie mit ihrer ruhigen Stimme. »Ylito und Hannever haben getan, was sie konnten. Morgen werden wir wissen, ob er bei uns bleibt.«
»Oder ob wir ein weiteres Porträt in der Galerie aufhängen müssen.« Victorias Stimme brach. Nicht noch eines. Nicht schon so bald. Sie hob den Kopf und sah Wayren an. »Was ist geschehen?«
»Er hat Sebastian nachgestellt. Und Beauregard.«
Victorias Magen zog sich zusammen. »Nein.« Das hätte er nicht getan.
Oh Gott, doch, das hätte er. Sie hatte den Ausdruck auf seinem Gesicht nicht vergessen, als er glaubte, verraten worden zu sein. Seinen fassungslosen Schmerz. Die Ungläubigkeit.
Würde sein Tod der nächste sein, an dem sie sich die Schuld geben musste? Noch ein Tod, den sie hätte verhindern können, wenn sie eine andere Entscheidung getroffen hätte?
Verdammt, sie hatte nichts falsch gemacht! Sie hatte Sebastian nicht hierher gebracht. Sie hatte die Venatoren nicht verraten.
»Ich weiß nicht genau, was passiert ist. Er war kaum noch bei Bewusstsein, als wir ihn fanden. Das Einzige, was er sagte, waren die Namen ›Vioget‹ und ›Beauregard‹; den Rest haben wir uns zusammengereimt. Aber -«, sie machte eine Handbewegung in Richtung des Schotten, »- es ist ziemlich offensichtlich, was passiert sein muss.«
Zavier hatte sich inzwischen ein wenig bewegt, sodass Victoria nun die tiefen Wunden in seinem Fleisch, die von seinem Hals nach unten verliefen und dann unter den Decken verschwanden, sehen konnte. Seine Verletzungen stammten nicht nur von Fangzähnen.
Wer oder was auch immer der Täter war, hatte ihn fast, aber nicht ganz töten wollen.
Dieser Gedanke entfesselte eine mörderische Wut in Victoria. Mühsam unterdrückte sie das Zittern ihrer Finger, zwang sich zu langsamen, bedächtigen Bewegungen, denn sonst wäre sie explodiert.
Sie beugte sich nach unten, legte die Hände um Zaviers Kopf und flüsterte ein kurzes Gebet für ihn, die flehentliche Bitte, ihr zu vergeben und zu ihnen zurückzukehren … dann hauchte sie ihm einen sanften Kuss auf die Wange.
Als sie sich wieder aufrichtete, fing sie Wayrens Blick auf, und sie erkannte, dass die weise Frau sie verstand.
Sie ging zur Tür, lief den Korridor zurück und betrat gerade den Hauptsaal des Konsiliums, als sie Wayrens Stimme hinter sich hörte.
»Victoria.«
»Ich muss Max finden.« Sie blieb neben dem Brunnen stehen, als ihr bewusst wurde, dass Wayren vor allen anderen wissen würde, wo Max steckte. Sie spielte mit den Fingern an dem Kupferarmband in ihrer Manteltasche. »Ich werde Beauregard aufspüren und ihn töten. Ich will, dass Max mit mir kommt.«
Sie atmete tief ein, um sich zu beruhigen, um ihre Wut und Trauer zu beherrschen, während sie sich an Kritanus Warnung erinnerte, sich niemals von ihren Gefühlen hinreißen zu lassen. »Ich brauche Max. Weißt du, wo er ist?«
Wayrens Miene änderte sich nicht, doch sie streckte die Hand aus und legte sie behutsam um Victorias Arm. »Es gibt da noch etwas, das ich dir sagen sollte.«
Victoria stockte der Atem, als sie den Ausdruck in ihren Augen sah. »Was ist los?«
»Setz dich,Victoria.«
Kapitel 19
In welchem sich Max in die Höhle des Löwen wagt
S ebastian hörte die Stimmen gerade noch rechtzeitig, um in einen der leeren Räume - zumindest hoffte er, dass er leer sein würde - zu schlüpfen. Es wäre nämlich äußerst
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