Das Buch der Vampire 03 - Blutrote Dämmerung
auch danach - getan hatte.
Blind vor Tränen zog sie ihr Taschentuch hervor und trocknete sich Nase, Wangen und Kinn, bis es völlig durchnässt war. Im schwachen Licht des Mondes, das durch das Fenster hereinfiel, betrachtete Victoria ihr Gesicht im Frisierspiegel. Ihre Augen waren kummervoll und dunkel umschattet, das Haar fiel ihr in unordentlichen Flechten ins Gesicht und über die Schultern. Sie sah aus wie eine Medusa. Eine hohlwangige, traurige Medusa.
Das Einzige, worüber sie froh war, war die Tatsache, dass sie Phillip getötet hatte, bevor er das Blut eines Sterblichen hatte trinken können - wodurch er ewige Verdammnis über sich und seine Seele gebracht hätte.
Plötzlich merkte sie, dass die Tür ihres Schlafzimmers einen Spalt weit geöffnet worden war. Gerade weit genug, dass sie das schmale, blasse Gesicht sehen konnte, das dort im Zwielicht schimmerte.
»Nilly?« Sie wischte hastig die letzten Tränen fort.
Die Tür ging weiter auf, und die Frau trat, dünn und still wie
ein Gespenst, in ihrem weißen Nachtgewand ins Zimmer.Victorias Nacken begann zu prickeln. Es war kein Frösteln, eher ein Gefühl böser Vorahnung.
»Was ist passiert?« Sie stand auf und griff automatisch nach einem ihrer Pflöcke, obwohl sie wusste … ganz sicher wusste, dass mit Nilly alles in Ordnung war. Aber …
»Ich hatte ganz vergessen, dass ich dir eine Nachricht überbringen soll.« Ihre Stimme klang seltsam dumpf. Ihre Augen schimmerten groß und hell in ihrem länglichen Gesicht; sie hatte eine zierliche Hand in den Stoff ihres Nachthemds gekrallt, und ihr bleiches Haar fiel ihr in einem geisterhaften Schatten über die schmalen Schultern.
»Von dem, der dich gebissen hat?«
»Von Beauregard. Lord Beauregard«, flüsterte Nilly eigentümlich lächelnd, und Victoria bemerkte den leisen Fanatismus in ihren Augen. Sie funkelten wie Kerzenlichter, und die Frau selbst erweckte beinahe den Eindruck, als würde sie schlafwandeln. »Lord Beauregard sagt, dass er etwas zurückgegeben hat, das dir gehört … und er erwartet, dass du zurückgibst, was ihm gehört. Denn sonst …« Nillys Stimme verklang. Victoria war bei ihren Worten aufgesprungen und durchwühlte nun hektisch die Taschen ihres Herrenmantels. Natürlich! Bei der Erwähnung von Beauregards Namen war es ihr wieder eingefallen. Sie zog das Kupferarmband hervor, während sie sich plötzlich darüber wunderte, wie ihr hatte entfallen können, wo sie die eingravierten Zeichen schon einmal gesehen hatte: auf Sebastians Haut.
Vielleicht hatte sie sich einfach nicht daran erinnern wollen, dass er dieses Zeichen trug.
Aber er tat es.
»Was hat er, das mir gehört?« Victoria drehte sich gerade noch rechtzeitig um, um zu sehen, wie Nilly lautlos zu Boden glitt.
Mit einem Satz war sie bei ihr und überprüfte an der unverletzten Seite ihres Halses den Puls der älteren Dame. Ihr Herz schlug noch immer, und das seltsame, angespannte Lächeln war verschwunden. Victoria tastete auf dem Frisiertisch herum, bis sie ein kleines Fläschchen Riechsalz fand, und hielt es ihr unter die Nase.
Fast umgehend begann Nilly, sich zu regen, dann wandte sie hustend das Gesicht ab. Ihre Lider öffneten sich flatternd. Victoria stellte erstaunt fest, dass ihr Blick klar war; sie schien überrascht zu sein, sie zu sehen.
»Was tust du da?«, fragte Nilly und setzte sich auf.
»Fühlst du dich wohl?« Victoria half ihr auf die Füße.
»Ja, ich denke schon. Aber wie bin ich bloß …« Sie blickte sich verwirrt um.
»Lass mich dir helfen, ich bringe dich zurück in dein Zimmer.« Als sie anschließend im Schneckentempo den Flur hinuntergingen, dämmerte Victoria mit einem Mal, was Beauregard hatte, das ihr gehörte.
Die Antwort war so unschön, dass sie sie am liebsten gar nicht in Erwägung gezogen hätte, aber leider war es durchaus möglich. Sogar wahrscheinlich.
Immerhin hatte sie das Lederband in der Nähe der Magischen Tür verloren, und Nilly hatte sich praktisch an derselben Stelle befunden, als sie gebissen worden war.
Allerdings würde das bedeuten, dass Beauregard dort gewesen
sein musste, als sie vor der Villa Palombara gegen die Vampire gekämpft hatte.
Und dann war er einfach gegangen.
Als sie Nilly endlich wieder ins Bett verfrachtet hatte, bemerkte Victoria, dass sich der Himmel im Osten bereits grau färbte. Die Sonne würde in spätestens drei Stunden aufgehen, vielleicht sogar früher. Da Beauregard den Anhänger jetzt hatte, war es sinnlos, noch in
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