Das Buch der Vampire 03 - Blutrote Dämmerung
zurückkam, waren Sie verschwunden. Aber, was viel wichtiger ist: Ich könnte Sie heute Abend gut als Begleiter gebrauchen. Wären Sie bereit, mir zu helfen?«
»Aber mit Vergnügen. Sie müssen mir einfach nur sagen, was ich tun soll.«
»Danke.« Victorias Lächeln wurde um noch ein paar Grad wärmer. Mit Zavier als Unterstützung, der über ihre Mutter und deren Freundinnen wachte, könnte sie sich in der Villa Palombara wesentlich besser auf ihre eigentliche Aufgabe konzentrieren.
»Sagtest du nicht, dass du mit Wayren sprechen wolltest?«, unterbrach Max sie.
»Ja, und auch mit Ilias.« Victoria suchte den Blick des älteren Mannes.
Zavier wirkte ein wenig enttäuscht, als sie ihm ihren Arm entzog, doch sie versprach: »Es wird nicht lange dauern. Ilias, ich muss noch schnell eine Sache erledigen, anschließend werde ich zu dir und Wayren in die Bibliothek kommen.«
Sie entschuldigte sich, dann eilte sie die lange Galerie mit
den Venatoren-Porträts entlang, wobei sie dieses Mal auch an dem neuesten, dem ihrer Tante, vorbeikam. Am anderen Ende blieb sie vor etwas stehen, das scheinbar nur eine Wand war, in Wirklichkeit jedoch drei versteckte Türen in sich barg. Eine davon führte zu einer alten Wendeltreppe, die dem Konsilium als einer von mehreren Geheimausgängen diente. Diese Stufen schlängelten sich zu der Ruine eines verfallenen Gebäudes empor, das rein äußerlich nichts anderes zu sein schien als ein verlassenes Haus in einer kleinen Gasse namens Tilhin, die mehrere Straßen vom Haupteingang der Santo Quirinus entfernt lag.
Die zweite Tür führte zu Wayrens Privatbibliothek, aber es war die dritte Tür, derentwegen Victoria gekommen war. Sie wurden im Übrigen nicht als Wand getarnt, um die anderen Venatoren zu täuschen; sie alle wussten von der Existenz dieser Räume, und viele von ihnen hatten sie schon betreten.
Ihre Geheimhaltung war lediglich eine Vorsichtsmaßnahme. Für den Fall, dass jemals in das Konsilium eingebrochen werden sollte, konnten die wichtigen und kostbaren Dinge, die in der Asservatenkammer und in Wayrens Bibliothek aufbewahrt wurden, durch den nahe gelegenen Ausgang in Sicherheit gebracht werden. Deshalb glaubte Victoria, dass dies für Eustacia der wahrscheinlichste Ort gewesen wäre, um dort das Armband mit dem Schlüssel zu verstecken.
Vielleicht hatte sie ja die Möglichkeit gehabt, es hierher zu bringen, bevor sie zu der Versammlung gegangen war, die ihr Schicksal besiegelt hatte. Es war zwar nicht sehr wahrscheinlich, trotzdem wollte Victoria sämtliche Möglichkeiten überprüft haben, bevor sie mit Sebastian sprach.
Sie drückte gegen das Marmorrelief einer Weinranke, und eines der Blätter glitt zur Seite. Rumpelnd öffnete sich die schwere Steinwand gerade so weit, dass sie hindurchschlüpfen konnte.
Im Inneren der Kammer, in der stets Fackeln zum Anzünden bereitstanden, bewahrten die Venatoren ihre größten Geheimnisse, ihre wertvollsten Waffen und die gefährlichsten Andenken ihrer Geschichte auf. Victoria hielt ihre Kerze hoch, um die Schränke mit den tiefen Fächern und all die breiten Regale zu beleuchten, die die Wände säumten. Mit Glasplatten bedeckte Vitrinentische, in denen einige der kostbaren Objekte lagerten, reihten sich aneinander, und in einer Ecke stand ein Schreibtisch, auf dem eingerollte Manuskripte und ein Vergrö ßerungsglas lagen.
Außerdem war hier der Pflock ausgestellt, den Gardeleus erhalten hatte, als er zum Urvater aller Venatoren berufen worden war. Er war aus Espenholz gefertigt, das vom Heiligen Kreuz stammte. Lady Catherines Smaragdring, den sie während ihres Aufenthalts am Hofe Königin Elisabeths getragen hatte, befand sich in einer kleinen Eschenholzschatulle, deren Ecken mit Silber beschlagen waren. In einem Eisenkäfig wurde ein kopfgroßes Ei verwahrt, das von dem Schlangendämon Pithius stammte. Es war zwar nie ausgebrütet worden, trotzdem wurde es aus Sicherheitsgründen hinter Gittern gehalten, nur für den Fall, dass die Kreatur darin eines Tages spontan ausschlüpfen sollte. Allerdings hatte es Ilias zufolge während der Jahrhunderte, die es schon dort lag, nicht ein einziges Mal auch nur gezuckt.
Dann war da noch die goldene Armspange, die Eustacia
und Kritanu eines Weihnachtsabends in Venedig beschlagnahmt hatten, wodurch es ihnen gelungen war, die Stadt vor der schrecklichen Zerstörungswut eines mächtigen Vampirs zu retten. Außerdem die goldene Fußkette, die dem Dämon Daahak gehört hatte, einem
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