Das Buch der Vampire 03 - Blutrote Dämmerung
Oberseiten
ihrer kurzen Puffärmel zierten weitere Stoffblüten in kleinen, weiß-roten Sträußchen, von denen grasgrüne Bänder auf ihre Arme herabfielen. Obwohl ihre Stola kaum mehr war als ein Hauch weißer Spitze, verhinderten ihre pinkfarbenen Handschuhe, die ihr von den Fingerspitzen bis über die Ellbogen reichten, dass sie an den Armen fror.
Anstelle des einfachen Zopfes, den zu tragen sie sich angewöhnt hatte, bestand Victorias Frisur heute aus einer komplizierten, an ihrem Hinterkopf aufgetürmten Anordnung schmaler Flechten, Korkenzieherlocken und rosaroter Perlen. Damit blieb ihr schlanker, weißer Hals nackt, abgesehen von den hellen Rubinen, die von ihren Ohren hingen, und dem silbernen Kreuz, das ihre Kehle zierte.
Verbena hatte in Victorias Coiffure außerdem einen der kunstvollen Pflöcke eingearbeitet, die sie und Oliver unermüdlich für ihre Vampire jagende Herrin herstellten. Dieses besondere, violett bemalte und mit Rosenschnitzereien verzierte Exemplar war lang und schmal, dabei aber robust genug, dass es einen Vampir töten würde.Victoria hatte Verbena dazu überreden können, dieses Mal auf die Federn zu verzichten, allerdings hatten jeweils zwei Perlen ihren Weg in die Mitte der Rosen gefunden.
Unter all diesem weiblichen Putz verbarg sich Miros neueste Kreation im Kampf gegen die Untoten: ein speziell für Victoria entworfenes Korsett. Die Idee stammte ursprünglich von Verbena, die nicht nur ein großes Interesse an der modischen Erscheinung ihrer Herrin hatte, sondern darüber hinaus auch die einzige Zofe in ganz London war, die sich für Waffen und Werkzeuge begeisterte.
Victorias grazile Abendschuhe erlaubten es jedem noch so kleinen Stein, sich in ihre Sohlen zu bohren, während sie mit Zavier, an dessen anderem Arm Lady Nilly schwebte, zum Eingangsportal der Villa hochging. Ihnen voraus trippelten Melly und Winnie.
»Das wirkt ja nicht sehr festlich«, bemerkte Lady Winnie so lautstark, dass sogar Victoria es noch hörte, wobei die Herzogin offensichtlich vollkommen vergessen hatte, dass dies ja keine Party war. »Es scheint kaum jemand hier zu sein. Noch nicht einmal ein Lakai, der uns aus der Kutsche geholfen hätte! Ich weiß ja, dass die Familie schon seit Jahrzehnten nicht mehr hier wohnt, aber trotzdem sollte man doch meinen, dass sie ein wenig Ordnung machen lassen, bevor sie uns einladen.«
»Es ist eine Schatzsuche«, gurrte Lady Nilly und schmiegte sich dabei ein wenig enger an Zavier. »Spürt doch diese Atmosphäre! Sie ist so düster, geheimnisvoll, aufregend...«
»Außerdem soll hier ja auch kein großer Ball stattfinden«, ergänzte Lady Melly mit einem Seitenblick zu ihrer Tochter. »Man hat uns unmissverständlich mitgeteilt, dass dies keine festliche Veranstaltung sein wird und außerdem auch nur wenige Gäste eingeladen sind. Wir dürfen uns glücklich schätzen, mit von der Partie zu sein. Ohne Baron Tarruscelli, der uns seine eigenen Einladungen überlassen hat, würden wir überhaupt nicht teilnehmen können.«
Es herrschte in der Tat eine seltsame, gespenstische Atmosphäre. Die Villa selbst wurde halb von derselben Mauer verdeckt, über die Victoria und Ylito geklettert waren, um zum Alchimistischen Portal zu gelangen, welches sich am anderen Ende des riesigen Anwesens und damit weit entfernt vom
Hauptgebäude befand. Düster und schwermütig ragte hinter der maroden Mauer die Villa empor.
Anstelle der zahllosen hell erleuchteten Fenster, die den Besucher bei den meisten Feiern, Dinnerpartys oder Bällen willkommen heißen würden, gab es hier nur einen schwachen, gelblichen Lichtschein am Haupteingang des Gebäudes. Die Tür öffnete sich und gewährte einen flüchtigen Blick auf einen Butler, dann wurde sie hinter einer kleinen Traube Geladener wieder geschlossen, so als wollte man kein Licht an die Nacht verschwenden.
Die Abfolge von Kutschen, die die Gäste zur Villa brachten, konnte man eigentlich gar nicht als solche bezeichnen, denn es schienen tatsächlich nicht allzu viele Personen eingeladen zu sein. Was Victoria nicht entgangen war, deshalb blieb sie, als sie sich der Tür näherten und diese ein weiteres Mal geöffnet wurde, in der Dunkelheit stehen, sodass niemand sie von drinnen bemerken würde. Nicht zum ersten Mal fragte sie sich, ob es reiner Zufall oder vielmehr Absicht war, dass man ausgerechnet die Mutter eines Venators zu dieser Schatzsuche eingeladen hatte.
Auch Zavier hielt nun inne; er ermunterte Lady Melly
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