Das Buch der Vampire 03 - Blutrote Dämmerung
selbst am allerbesten, wie sich ein gebrochenes Herz anfühlt. Pass auf, dass du nicht dasselbe Leid über einen deiner Männer bringst. Denn du hast die Macht dazu.«
»Du vergisst, dass der Venator, mit dem du hier sprichst, wegen seines gebrochenen Herzens nicht außer Gefecht gesetzt wurde.«
»Wurdest du das nicht?«
Sie richtete sich gerade auf, um zu antworten, dann sackte
sie wieder in sich zusammen. Oh Gott, und ob sie es gewesen war. Nach Phillips Tod hatte sie fast ein ganzes Jahr lang nicht gewagt, ihren Pflock zu benutzen, aus Angst, zum Berserker zu werden und alles zu töten, was sich ihr in den Weg stellte. Die Gaben, die sie besaß, die Kräfte, die Fähigkeiten, die Instinkte: Sie alle konnten ebenso dem Bösen wie dem Guten dienen. Und dann dieser Zorn, der unter ihrer ruhigen Oberfläche gebrodelt hatte - der Zorn, der Hass und die Trauer -, er hätte sie leicht auf einen falschen Pfad führen können.
Die Tränen strömten ihr nun leise und von der Dunkelheit verborgen die Wangen hinab. Sie holte tief Luft, kämpfte darum, sich nicht daran zu verschlucken und Max somit zu verraten, wie sehr er sie aufgewühlt hatte, dann rutschte sie noch weiter von ihm weg. Sie wollte möglichst viel Abstand zu ihm, seinen aufdringlichen Ratschlägen, seinen rücksichtslosen Worten, seinen verdammten Wahrheiten bringen.
Er drehte sich um, und der schmale Schlitz zwischen den Vorhängen fiel zu, sodass nun vollkommene Dunkelheit herrschte. Das einzige Licht war ein dunkelgrauer Schimmer aus Richtung der Treppe.
»Victoria?«, fragte er leise.
»Es gibt hier nichts mehr zu sehen.« Victoria war erleichtert darüber, wie ruhig sie klang. »Es scheinen keine Mitglieder der Tutela anwesend zu sein.« Sich auf den winzigen Hauch von Licht und ihre ausgestreckte Hand, mit der sie sich ihren Weg ertastete, konzentrierend, hielt sie schnell und leise auf die Treppe zu. »Ich gehe nach unten und sehe mich dort um.«
»Victoria.«
Sie hörte, dass er sich hinter ihr bewegte, trotzdem huschte
sie schnell weiter, während ihre Augen sich allmählich so weit an die Dunkelheit gewöhnten, dass sie die ersten schwachen Umrisse erkennen konnte.
Als sie den Treppenabsatz erreichte, tastete sie sich mit der Hand am Geländer um die Kurve, als plötzlich etwas aus der Dunkelheit vor ihr auftauchte.
Es war hart und metallisch, und jemand stieß es ihr von vorn gegen die Schulter. »Was für ein glücklicher Zufall«, ertönte eine vertraute Stimme. »Sieh nur, welch unerwartete Beute in unsere kleine Falle getappt ist.«
Vor ihr flackerte eine Kerze auf und erhellte die Gesichter von Mr. George Starcasset und Lady Sarafina Regalado.
Kapitel 9
In welchem drei Damen auf Schatzsuche gehen
M ax hörte das leise Klicken einer Pistole, die entsichert wurde, dann erstarrte er im selben Moment, als ihm bewusst wurde, dass sein Nacken kalt wurde.
Vampire … irgendwo. Aber nicht allzu nahe.
Das plötzliche Aufleuchten einer Kerze sandte von unten, gerade außerhalb seiner Sichtweite, einen weichen, gelblichen Schein die Treppe hoch. Dann wurde das Licht heller, als drei schemenhafte Gestalten die Stufen hinauf- und in seine Sichtweite kamen.
»Wen haben wir denn da - Maximilian!«
Er kannte diese nervtötende Stimme nur allzu gut. Verdammtes Miststück.
»Sara.« Es wollte ihm einfach nicht gelingen, ebenso erfreut zu klingen wie seine ehemalige Verlobte. »Und Starcasset. Was für eine unschöne, wenn auch nicht gänzlich unerwartete Überraschung.«
Er erkannte, dass Victoria, auf deren Gesicht zwei schmale Streifen zu sehen waren - hatte sie etwa geweint? - von George Starcasset in Schach gehalten wurde. Dabei starrte sie Max mit einem solch verachtungsvollen Ausdruck an, als wäre es irgendwie seine Schuld, dass sie vor den Lauf einer Pistole geraten war.
Noch bevor er sich rühren konnte, kam Sarafina schon auf ihn zu. Sie war eine dralle Blondine mit schönen braunen Augen und einem Geist, der kaum mehr zustande brachte als kokette Bemerkungen und Gespräche über Mode. Er hatte sie als vermeintlicher Verehrer durch ganz Rom begleitet und dabei eine wesentlich größere Zahl von Schäferstündchen mit ihr verbringen müssen, als ihm lieb gewesen war. Sie war ein hübsches, fröhliches Ding - genau die Art von Frau, die er heiraten würde, sollte er sich je dazu entscheiden. Schade, dass sie sich übermäßig stark zu Vampiren hingezogen fühlte. Au ßerdem gingen ihm ihre Stimme und ihr albernes Benehmen nach
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