Das Buch der Vampire 04 - Brennendes Zwielicht
zurückkehren sollten, als jemand schrie.
Alle drehten sich in die Richtung, aus der der entsetzte Schrei ertönt war, der gleich darauf in einem erstickten, gurgelnden Laut geendet hatte. In der Ferne waren dichte Büsche und eine Rasenfläche zu sehen, die noch nicht von Mr. Nash umgestaltet worden war. Victoria sprang auf, wodurch die Kutsche ins Schwanken geriet. Doch sie behielt die Balance und hielt sich gerade noch zurück, um nicht wie eine Verrückte von der Kutsche herunter zu stürmen. Miss Needleton sah sie ganz erstaunt an, weil ihr offensichtlich nie der Gedanke gekommen wäre, dass sie irgendwie helfen könnte.
Natürlich. Woher auch? Die Frauen des ton ließen alles für sich machen. Victoria blieb auch stehen, als Mr. Needleton und mehrere andere Männer von ihren Gefährten sprangen und in Richtung des Hilfeschreis davon stürzten.
»Ach, du meine Güte«, piepste Miss Durfingdale etwas verspätet, und Victoria, die deren Anwesenheit fast vergessen hatte, sah sie überrascht an. Hatte der Schrei sie so durcheinander gebracht, oder die erstaunliche Geschwindigkeit, mit der die Männer losgeeilt waren?
»Vielleicht brauchen sie weibliche Unterstützung«, meinte Victoria und schürzte die R öcke, um vorsichtig aus der Kutsche zu steigen – ein ungewöhnliches Kunststück, das Victoria da vollbrachte, doch eines, an das sie gewöhnt war. »Wenn die Frau in Not ist.«
Miss Needletons leise Einwände hallten noch in ihren Ohren wider, als Victoria auch schon hinter den Männern her durchs hohe Gras davoneilte, so schnell sie konnte. Sobald sie von der Kutsche aus nicht mehr zu sehen war, schlug sie sich ohne R ücksicht auf ihr neues Musselinkleid in die Büsche und musste gleich darauf einen kleinen Abhang hinunterlaufen. Am Fuße der Böschung schlängelte sich ein Bach durch die Landschaft, gesäumt von einzelnen, verstreut stehenden Bäumen. Vor sich hörte sie die Männer laufen, die sich immer wieder etwas zuriefen. Sie dagegen gab keinen Ton von sich, während sie am Ufer des Baches entlangrannte. Das Opfer hatte nicht noch einmal geschrien, und schließlich blieb Victoria abrupt stehen, als sie an dem kleinen Fluss ankam.
Keuchend schaute sie sich um, ob irgendetwas Ungewöhnliches zu sehen war, aber das durch das Laub der Bäume gefilterte Sonnenlicht sprenkelte die glatten Steine, welche das Ufer säumten, sodass alles idyllisch und ruhig wirkte. Doch dann zog etwas R osafarbenes ihre Aufmerksamkeit auf sich, das hinter einem mächtigen, liegenden Baumstamm hervorblitzte.
Es dauerte nur einen kurzen Moment, dann stand sie neben der auf den Boden gesunkenen Gestalt. Der Anblick, der sich ihr bot, ließ sie entsetzt aufstöhnen. Das Gras war mit Blut bespritzt und befleckte das rosafarbene Kleid, durch welches ihre Aufmerksamkeit erregt worden war. Als sie die junge Frau umdrehte, konnte sie diese nur entsetzt anstarren.
Das Mieder des Opfers war aufgerissen worden, und die Haut über Brust und Schlüsselbeinen war mit drei großen Xen bedeckt, die tief ins Fleisch hinein geritzt waren. Frisches Blut drang durch den Stoff und sickerte aus ihren Wunden. Doch es waren die vier kleinen Male auf dem blau-weißen Hals des Mädchens, die Victorias Blick auf sich zogen.
Vampirbisse. Frische Vampirbisse.
Am helllichten Tage.
Kapitel 4
In dem ein Klingelzug außer Betrieb ist
D as schreckliche Schicksal von Miss Belvadine Forrest (der Name des Opfers, wie sich später herausstellte) hatte auch einige angenehme Nebenwirkungen für Victoria. Denn aufgrund dieser traumatischen Entdeckung war es ihr natürlich unmöglich, am Abend zur Dinnerparty von Mrs. Burlington-Frigate zu gehen.
Lady Melly standen fast die Tränen in den Augen, und sie brachte nur ein etwas zittriges Lächeln zustande … trotzdem akzeptierte sie die Entschuldigung. Bewaffnet mit den neuesten Informationen aus erster Hand und königlich herausgeputzt machte sie sich allein auf den Weg zur Dinnerparty.
Währenddessen begab Victoria sich erleichtert nach St. Heath’s R ow.
Als die Kutsche durch die eiserne Pforte auf das Anwesen R ockley House fuhr, schaute sie an den Stallungen vorbei zur kleinen Familienkapelle, die von mehreren Ahornbäumen eingerahmt wurde. Es war fast zwei Jahre her, dass sie das Buch des Antwartha dort versteckt hatte, damit es Lilith nicht in die Hände fiel, und jetzt ruhte Briyani im selben Gebäude, bis er beerdigt wurde.
Vampire waren nicht in der Lage, die Steinmauern, die das Gebäude
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