Das Buch der Vampire 04 - Brennendes Zwielicht
annehmen werde. Und wie willst du dann irgendjemanden dazu bringen zu glauben, da wäre etwas zwischen uns?«
Offensichtlich hatte Lady Melly ihr geglaubt – und war dem Trugschluss erlegen, dass die Chance bestand, es könnte sich etwas zwischen den beiden entwickeln; denn sie presste die Lippen zusammen und nickte. »Aber du musst mir versprechen, mindestens zweimal mit ihm zu tanzen, und auf jeden Fall einmal, nachdem die Masken abgenommen worden sind.« Victoria hatte irgendeine nichts sagende Antwort gegeben und war in ihren Ausflüchten von der emsigen Verbena unterstützt worden, die völlig begeistert ihr Haar bearbeitet hatte.
Jetzt stieg sie gemessenen Schritts die Treppe von Landross House, dem Wohnsitz von Lord und Lady Philander, hinauf. Dabei spürte Victoria, wie ihr ein Schauer der Erregung über den R ücken lief. Im Gegensatz zum Karneval in R om, wo die Straßen voller verkleideter Feiernder gewesen waren, würde es auf dem Maskenball etwas ruhiger zugehen. Es würde keine Masken und Kostüme mit langen Nasen oder ungelenken Tiermasken aus Pappmaché geben. Wahrscheinlich waren die meisten Gewänder so gewählt, dass man irgendeine Persönlichkeit darstellte.
Weil es sich um einen Maskenball handelte und die Identität der Gäste bis Mitternacht geheim bleiben sollte, wenn die Masken abgelegt wurden, kündigte der Butler Victoria nicht mit Namen an, als sie in den Ballsaal trat. Es war zwar viel los, aber nicht so voll wie erwartet. Weil man mit der Anwesenheit des faszinierenden neuen Marquis von R ockley rechnete, wusste Victoria, dass der Raum bald bis zum Bersten gefüllt sein würde.
Glücklicherweise konnte Landross House sich nicht nur eines Vorraums mit hoher Decke neben dem Ballsaal rühmen, wo Essen und Trinken angerichtet waren (und auch Stühle für Anstandsdamen und die verheirateten Frauen standen), es verfügte auch über eine weitläufige Terrasse, die sich über die gesamte Breite des Hauses zog. Die Türen des Ballsaals standen offen, damit kühle Abendluft hereinströmen konnte, und kleine Laternen schmückten eingetopfte Feigen-, Zitronen- und Olivenbäumchen draußen im Hof.
Victoria fühlte sich hinter ihrer großen silber- und cremefarbenen Maske sicher, die ihr Gesicht nicht nur vom Haaransatz bis zur Nasenspitze bedeckte, sondern in einer geschwungenen Linie auch die Seite ihres Kopfes verbarg wie ein mittelalterlicher Helm. Der größte Teil ihres Haars war zu einer Krone aufgesteckt. Nur eine lange, gewellte Strähne hing bis über ihre Schulter.
Das Tanzen hatte noch nicht begonnen, und Victoria hielt ihre Tanzkarte mit dem daran baumelnden Stift fest in der Hand, während sie die anderen Gäste musterte. Sie rechnete fest damit, dass auch George Starcasset und Sara R egalado anwesend sein würden, und ihr Hauptziel war es, von den beiden nicht erkannt zu werden, damit sie sie problemlos im Auge behalten konnte.
Das Motto des Abends, in dem man den Saal dekoriert hatte, war eine Unterwasserhöhle. Entsprechend gering war die Beleuchtung, und an vielen Stellen war sie noch zusätzlich durch künstliche Felsbrocken im Ballsaal gedämpft. Silberne und blaue Streifen aus Seide hingen von der Decke und ließen das Licht glitzern und wabern, sodass man den Eindruck bekam, man befände sich unter Wasser. Die Lakaien, der Butler und die Dienstmädchen trugen alle Gewänder mit dicht an dicht aufgenähten grünen, blauen und silbernen Münzen, sodass sie wie Fische wirkten, die zwischen den Gästen leise umherschwammen. Victoria nahm sich ein kleines Glas mit einer rosafarbenen perlenden Flüssigkeit, die auf Tabletts herumgereicht wurden. Es war sprudelndes Wasser, welches mit Zucker und Grapefruitsaft versetzt war – ziemlich ungewöhnlich und doch köstlich, wenn auch ein bisschen zu warm für ihren Geschmack.
Während sie an ihrem Getränk nippte, sah sie sich um. Von ihrem Platz aus hatte sie einen guten Blick auf den Tanzsaal. Zur Linken saß das Orchester hinter einer Wand aus Pappmaché, die Felsbrocken darstellten und mit künstlichem Seegras und glitzernden Fischen verziert waren. Sogar den Vorraum mit den langen Tischen, auf denen Essen und Getränke standen, konnte sie sehen.
Ihr Blick blieb an einem Mann mit blondem Haar hängen. Es reichte ihm gerade mal bis zur Mitte des Halses.
Dem Wams und den geschlitzten Hosen nach sollte er wohl R omeo darstellen. Das gekerbte Kinn und die Art, wie er die Schultern bewegte, verrieten ihn. Während sie George
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