Das Buch der Vampire 04 - Brennendes Zwielicht
Geruch von Rauch und Nelken. Sie spürte, wie er seine Hand, die keinen Handschuh trug, auf ihr Knie legte. Leicht und so, dass sie von ihrer beider Schenkel gehalten wurde … aber unauffällig und verstohlen. Als wollte er keine Aufmerksamkeit erregen.
Trotzdem war sie da. Warm.
Er will dich nicht. Er will niemanden.
Victoria sah Max an, der immer noch aus dem Fenster schaute. Sebastians Worte hatten geheime Winkel in ihrem Kopf geöffnet. Meinte er etwa, dass die Last, die schreckliche, bedrückte Stimmung, die sich ihrer bemächtigt hatte, als er sie nach Hause bringen wollte, durch Sorge und Kummer um Max hervorgerufen worden war?
Als sie sich umgedreht hatte, um mit Sebastian zu gehen, während sie wusste, dass es keine Hoffnung mehr für jene gab, welche im Haus geblieben waren; während sie wusste, dass Max wohl noch kämpfte, wenn er nicht im Haus war; als ihr klar wurde, dass er dieses Mal für immer gegangen war … hatte Sebastian in dem Moment gemerkt, wie müde und leer sie sich fühlte? Wie verloren?
Hätte sie genauso empfunden, wäre es umgekehrt gewesen – wenn Max sie von einem vermissten Sebastian wegführte?
So sieht’s also aus.
»Tut mir leid, dass ich bei der Kutschfahrt störe, alter Junge.« Max’ scharfe Stimme unterbrach das Schweigen. Er hatte sich anders hingesetzt und schaute die beiden jetzt an. Schaute auf die Hand, die auf Victorias Knie lag. »Aber die Dame hat darauf bestanden.«
»Wo bist du gewesen?«, fragte Victoria.
Träge richtete er seinen Blick auf sie, als würde er überlegen, ob er antworten sollte. »Es hat sich herausgestellt, dass Miss Sara R egalado meine Begleitung wünschte. Es dauerte ein bisschen, bis ich mich wieder aus der Situation befreit hatte.«
»Du bist mit ihr weggegangen?«
Einer seiner Mundwinkel zuckte nach oben. »Die Dame war sehr beharrlich, und ich hasse es, unhöflich zu sein. Sie wollte mich unbedingt wieder mit einer alten Freundin zusammenbringen, weil sie meinte, dafür belohnt zu werden. Aber ich empfand allein die Vorstellung als abstoßend.«
»Dann ist Lilith also hier? In London?«
Max’ Augen leuchteten anerkennend auf. »Das scheint wohl so zu sein, obwohl ich es nicht mit Sicherheit weiß.«
»Und in welchem Zustand war Miss R egalado, als Sie sie verlassen haben?«, fragte Sebastian.
Max richtete den Blick auf ihn. »Wie immer, wenn ich mit ihr zu tun hatte … sie war schier außer sich.« Sein Lächeln war blass und freudlos. »Aber sie konnte sich noch bewegen.«
»Was ist mit George?«
»Das Vergnügen seiner Gesellschaft war mir nicht vergönnt: Ich nehme an, dass er den Vampiren das Abendessen nach draußen trieb. Hast du ihn denn nicht gesehen?«
Victoria schüttelte den Kopf. »Nein, aber ich war auch … anderweitig beschäftigt. Er könnte einige Zeit da gewesen sein, um sich dann später zu verdrücken, als klar wurde, dass der Kampf nicht zu gewinnen war.«
»Und haben Sie sich denn dazu aufraffen können, ein paar Vampire zu pfählen, Vioget?«
Victoria merkte, dass Sebastian sich bewegte. Es war nur eine leichte Bewegung, eine Anspannung, die durch Arm und Bein zuckte, die sich gegen sie drückten. Als er die Hand von ihrem Knie nahm, wich die Spannung. »Ein paar«, meinte er lässig. »Wir … Victoria und ich … haben uns die meisten vorgenommen.«
Sie spürte ein leichtes Ziepen und dachte, dass sich eine Strähne zwischen ihnen verfangen hätte. Doch dann merkte sie, dass er nach einer Locke gegriffen hatte, sie zwischen Daumen und Zeigefinger rieb und dann um einen Finger wickelte. Eine höchst intime Geste, bei der sie sich außerordentlich unwohl fühlte.
Ehe sie sich ihm entziehen oder in sonst irgendeiner Art reagieren konnte, ging ein kräftiger R uck durch die Kutsche. Sie waren an ihrem Ziel angekommen.
Victoria erhob sich schnell und zwang Sebastian so, ihr Haar loszulassen. Doch Max hatte die gleiche Idee gehabt, und so stießen sie mitten in der Kutsche zusammen.
»Hast du es eilig, meine Liebe?«, fragte er mit einem grimmigen Lächeln. »Ich möchte dir nicht im Weg stehen.«
Er setzte sich wieder hin, als die Kutschentür geöffnet wurde. Barth half Victoria beim Aussteigen, was sie ohne zu zögern tat – und ohne auf Sebastian zu warten.
Der Morgen dämmerte, und in ihrem Kopf raste es.
Als sie zum Haus hinaufging, hörte sie das leise Murmeln einer Männerstimme hinter sich, dann schloss sich die Kutschentür wieder. Ein schneller Blick nach hinten zeigte ihr, dass
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