Das Buch der Vampire 05 - Sanfte Finsternis
wenn er sie nicht am Arm festgehalten hätte. »Er hat sich selber angeboten?«
Max nickte. »Du musst wissen, dass sich die Ringe nicht abnehmen lassen, und deshalb schlug er diesen Handel vor. Er selbst und die Ringe gegen meine Freilassung.«
»Aber warum? Warum in Gottes Namen hast du sie nicht einfach umgebracht? Er kam herein...« Sie konnte nicht weitersprechen. Mit was für wirrköpfigen Männern hatte sie es zu tun, die meinten, sich der verdorbenen Vampirkönigin opfern zu müssen? Fanden die denn keinen anderen Weg, um ihr Ziel zu erreichen? Hatten sie vielleicht Vorbehalte, gegen eine Frau Gewalt anzuwenden? Sogar bei einer Untoten?
Verdammte Narren.
»Er hätte mit mir weggehen können, Victoria. Aber ich glaube... ich glaube, er ist aus einem ganz bestimmten Grund gekommen. Er sagte zu mir...« Seine Stimme wurde leiser; dann setzte er erneut mit kräftigerer Stimme an und stieß die Worte schnell hervor, als sollten sie heraus, ehe er es sich anders überlegte. »Er tat es für dich.«
»Für mich.« Ihr Magen zog sich schmerzhaft zusammen, und einen Moment lang musste sie den Blick abwenden. Sebastian hatte sich ihretwegen Lilith geopfert, damit sie glücklich war. Er hatte Max, seinen Rivalen, befreit, damit sie glücklich wurde. Bei dem Gedanken hätte sie am liebsten geweint. Wieder einmal.
Sie sah Max in die Augen, und er fügte hinzu: »Hältst du mich jetzt für selbstsüchtig, dass ich es zugelassen habe?«
»Selbstsüchtig?« Max selbstsüchtig? »Du?« Sie schüttelte den Kopf. »Mach dich nicht lächerlich. Und davon abgesehen, hattest du überhaupt eine andere Wahl?«
»Ich hätte mich weigern können zu gehen.«
Victoria stieß ein Schnauben aus, das sie nicht unterdrücken konnte. »Und dann wärt ihr beide Gefangene von Lilith gewesen. Zwei selbstlose, idiotische Männer. Dann hätte ich euch beide retten müssen.«
Er beugte sich nach vorn und drückte seinen Mund in einem festen Kuss auf ihre Lippen, als wollte er sie daran hindern, ihm weiter die Leviten zu lesen. »Victoria«, sagte er, als er sich einen Moment von ihr löste. »Da ist noch etwas, und ehe du jetzt losrast, um ihn zu retten, muss ich es dir erzählen.«
Sie legte eine Hand auf seine Brust und spürte die rauen Härchen und die Wärme seiner Haut, sein Muskelspiel, als er sich auf einem Arm aufstützte. »Ich habe nach dem Vorfall mit Beauregard aufgehört, planlos loszurasen«, sagte sie.
»Ach wirklich? Tja, ich will nicht mit dir über Einzelheiten streiten.«
»Was gibt es sonst noch?«
»Seine genauen Worte waren: >Ich habe es nicht Ihretwegen getan, sondern für sie. Sie beide.<«
»Beide?«
Max nickte. »Ich habe viel Zeit gehabt darüber nachzudenken, während ich hierher geritten bin, und ich bin sicher, dass er Giulia meinte.« Seine Stimme wurde ganz rau, als er den Namen seiner Schwester aussprach. »Es ist kein Geheimnis, dass der Grundstein für unsere Feindschaft mit Giulias Tod gelegt und... nun ja... sie deinetwegen fortgeführt wurde. Wenn er also von >beiden< spricht, meint er bestimmt das.«
»Aber was hat es mit Giulia zu tun, wenn er sich Lilith ausliefert?«
»Ich kann nicht behaupten, dass ich wüsste, wie er denkt, aber er sagte noch, ich sollte Wayren nach irgendeinem >Versprechen< fragen.«
Victoria runzelte die Stirn. »Du hast keine Ahnung, was er gemeint haben könnte? Denkt er vielleicht, dass es in Liliths Unterschlupf etwas gibt, das Giulia helfen könnte? Und wollte er eine Gelegenheit haben, danach zu suchen?«
Max zuckte die Achseln, und sie kam nicht umhin, die geschmeidige Bewegung seiner breiten, dunklen Schultern zu bemerken. Sie schluckte und musste den Drang unterdrücken, ihn noch einmal zu berühren. Dafür war später auch noch Zeit. »Er musste irgendeinen Grund haben, freiwillig da hinzugehen. Er war in letzter Zeit häufig mit Wayren zusammen, und Wayren, nun ja, du weißt, wie weise sie ist. Sie hat mir mehr als einmal den richtigen Weg gewiesen.«
»Mir auch. Ich bin froh, dass sie in Sicherheit ist.«
Er nickte. »Aber jetzt wieder zurück zu Sebastian. Victoria, es könnte sein, dass er gar nicht gerettet werden möchte.«
Sie starrte ihn an. »Wovon zum Teufel redest du da?«
»Du meine Güte, für eine Marquise hast du dir aber ein ziemlich nettes Vokabular angeeignet.«
»Du hast einen schlechten Einfluss auf mich.« Doch die Leichtigkeit schwand gleich wieder, und sie fuhr fort: »Ich werde Lilith töten, und somit wird Sebastian gerettet
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