Das Buch der Vampire 05 - Sanfte Finsternis
dann der ewigen Verdammnis zu überlassen?«
»Du glaubst, dass es für diese Untoten Hoffnung geben könnte.« Es war keine Frage, die Wayren stellte, sondern die Feststellung einer Tatsache. Sie sprach eine Hoffnung aus, die so tief in Sebastian verborgen gewesen war, dass er sich noch nicht einmal zugestanden hatte, daran zu denken. Ganz zu schweigen davon, dieser Hoffnung Ausdruck zu verleihen, indem er sie in Worte fasste.
Doch ermutigt - oder vielleicht auch gänzlich entmutigt — von ihrer Frage, sah er sie an. »Ist es möglich?«
Ihr Blick veränderte sich nicht. Er konnte keine Antwort in ihren Augen erkennen. Aber sie erwiderte: »Alles ist möglich, Sebastian. Ich mag viel wissen, aber ich weiß nicht alles. Ich habe den Verdacht, dass göttliche Entscheidungen viele Aspekte mit einbeziehen, die außerhalb unseres Begriffsvermögens stehen. Und wir nur das tun können, wozu wir berufen sind. Egal wie schwer uns das auch fallen mag.«
Sebastian sank in sich zusammen. Eine Antwort, die keine Antwort war. Er stand auf und strich ohne weiteres Nachdenken sein krauses Hemd glatt. »Danke, Wayren.«
In ihrem Lächeln schwang ein Hauch Erheiterung und etwas mehr Mitgefühl mit. »Ich danke dir, Sebastian. Ich weiß, wie schwer es für dich war, zurückzukehren und diese Unterhaltung mit mir zu führen.«
Ein etwas schiefes Grinsen verzog seine Lippen bei ihren Worten. »Ich hatte viele schwierige Unterhaltungen mit Frauen in den letzten Wochen«, meinte er und erinnerte sich an den Moment, als Victoria versucht hatte, ihm etwas zu erklären, das er bereits wusste: dass sie Max auf eine Art und Weise liebte, wie sie ihn nie lieben würde. »Ich komme allmählich zu der Überzeugung, dass ich Frauen meiden sollte, bis sich mein Glück wieder wendet.«
»Es tut mir leid, dass du dich im Moment so quälst«, meinte sie. »Aber manchmal muss man erst diese Qualen durchleiden, ehe man erkennt, welcher Weg der richtige für einen ist.«
Sebastian hätte gern eine geistreiche Bemerkung über symbolische Pflöcke gemacht, die einem ins Herz getrieben wurden. Aber irgendetwas hielt ihn davon ab. Er schloss den Mund, und erleichtert, den Raum jetzt endlich verlassen zu können, verbeugte er sich.
»Wir haben dich nirgendwo finden können«, beschwerte Lady Melly sich mit schriller Stimme.
Victoria setzte sich ein bisschen anders hin, sodass ihr Ohr der hohen Stimme ihrer Mutter nicht mehr ganz so direkt ausgesetzt war. Da sie allerdings neben ihr saß, war dies nicht ganz so leicht zu bewerkstelligen, aber sie tat ihr Bestes. »Ich war aber eine Zeitlang da, Mama«, erklärte sie, um dann ihre Gastgeberin anzuschauen. »Die Herzogin hat mich gesehen.«
Victoria hatte nach ihrem Bad und der sich daran anschließenden Unterredung mit Sebastian und Max in ihrem Zimmer ein kurzes Nickerchen machen können, aber sie war immer noch müde, und alles tat ihr weh. Der einzige Grund, weshalb sie sich darauf eingelassen hatte, das Haus zu verlassen und sich mit den drei Damen zu einem frühen Tee zu treffen, war der, dass sie sonst gezwungen gewesen wäre, diese in ihrem Haus zu empfangen.
Doch so hatte sie zumindest die Möglichkeit, die Flucht zu ergreifen, wenn es zu anstrengend wurde.
»Ein ganz reizendes Kleid, meine Liebe«, meinte Herzogin Winnie, während sie sich nach vorn beugte, um ein Küchlein mit eingemachten Erdbeeren und Sahnehäubchen zu nehmen. Obwohl sie erst am Abend zuvor das Haus voller Gäste gehabt hatte, die zu einem Ball im kleinen Kreis geladen gewesen waren, liebte sie es, mit ihren Busenfreundinnen am nächsten Tag allen Klatsch und Tratsch, den sie gehört hatten, noch einmal durchzugehen. Und davon abgesehen war es eine bekannte Tatsache, dass ihr Koch die besten und einzigartigsten Kuchen und Naschereien in ganz London zubereitete. »Ein bisschen skandalös war es natürlich schon, aber du bist ja schließlich keine jungfräuliche Debütantin mehr, nicht wahr?«
Lady Melly bedachte sie mit einem finsteren Blick, der sie zum Schweigen brachte, und wandte sich wieder an Victoria. »Aber wo bist du denn dann hin? Ich habe mich gar nicht mit dir unterhalten können. Dabei wollte ich doch, dass Jellington dich dem Erben von Davington vorstellt, der gerade erst vom Kontinent zurückgekehrt ist.«
»Mama«, setzte Victoria an, aber es war vergeblich.
»Sag mir jetzt nicht, dass du immer noch der Meinung bist, in irgendeiner Form mit diesem Monsieur Vioget verbunden zu sein«, erklärte Melly,
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