Das Buch der Vampire 05 - Sanfte Finsternis
während ihr immer noch die schrill vorgebrachten Widerworte in den Ohren dröhnten.
Angesichts der Lautstärke und Tonhöhe war sie froh, sich deutlich außerhalb der direkten Reichweite zu befinden.
Sobald sie zur Haustür hinaus und in ihre Kutsche gestiegen war, musste Victoria eine Entscheidung fällen.
Einerseits wäre sie am liebsten direkt nach Hause gefahren, um sich in ihr bequemes Bett zu legen und noch ein bisschen zu schlafen. Obwohl ihre Wunden durch ihre beiden vis bullae schnell heilten und sie durch die Amulette auch in anderer Hinsicht geschützt war, waren da immer noch Verletzungen, aufgrund derer sie sich wund und schwach fühlte.
Wenn sie nach Hause zurückkehrte, bedeutete das andererseits jedoch, dass sie unter Umständen Max begegnete, und nach dem Gespräch, das sie heute Morgen über Lilith geführt hatten, war sie sich nicht sicher, ob sie ihn überhaupt sehen wollte. Wie zu erwarten gewesen war, hatte Max ihren Plan -der ihrer Meinung nach sehr vernünftig war - nicht akzeptieren können, die Vampirkönigin allein zur Strecke zu bringen.
Es war nicht notwendig, sich die darauffolgende Szene noch einmal in Erinnerung zu rufen ... den tödlichen Ernst in seiner erhobenen Stimme, als er ihr erklärte, wie dumm sie wäre.
Er hatte ihr nicht zuhören wollen, egal wie ruhig sie ihm erklärte, dass sie dafür verantwortlich war, die Welt von Vampiren zu befreien, und dass die Vernichtung ihrer Anführerin einen großen Sieg bedeutete, der wahrscheinlich zur endgültigen Ausrottung der Untoten führte.
Im Rückblick schien es ihr besser, sie hätte ihm gar nichts erzählt, bis die Sache erledigt war.
Victoria stieß einen Seufzer aus. Vielleicht hatte sie mit der Ankündigung ihrer Pläne nur erreicht, dass er London noch schneller verließ.
Als sie ihre Röcke auf der Sitzbank zurechtstrich, streiften ihre Finger ein Metallstück. Neugierig nahm sie es hoch. Es handelte sich um eine kleine Münze, die sie sofort erkannte. Blitzartig erinnerte sie sich an den vergangenen Abend, als George Starcasset genau hier gesessen und mit etwas Klingelndem in seiner Tasche gespielt hatte.
Sehr interessant. Vielleicht...
Sie merkte, dass die Kutsche am Ende der Straße gehalten hatte und nun darauf wartete, in welche Richtung sie wollte. Während sie ihre Entscheidung traf, öffnete sie das Fenster und rief nach oben: »Zum Claythorne-Haus in St. James.«
Ein paar Minuten später kam sie bei George Starcassets Haus an, und Victoria schickte Oliver mit ihrer Karte an die Tür. Glücklicherweise trug ihre Kutsche - die sie zusammen mit dem Londoner Stadthaus von ihrer Tante Eustacia geerbt hatte - kein Wappen und konnte so auch nicht zufällig von irgendwelchen Passanten oder Nachbarn erkannt werden.
Kurze Zeit später kehrte Oliver mit der Nachricht zurück, dass George in seinem Club Gellinghall's sei. Mit dieser Information hatte Victoria bereits gerechnet; doch es war der praktischste Weg herauszufinden, in welchem Club George Mitglied war. Gleich darauf ließ sie sich mit der Kutsche dorthin fahren.
Beim Club angekommen schickte Oliver sie wieder los, um George herauszurufen. Nicht mehr als zehn Minuten später wurde sie mit Georges Kommen belohnt (wenn man das denn so bezeichnen mochte), der an den Kutschschlag trat.
»Ich hoffe doch, Sie haben keinem gesagt, mit wem Sie sich hier draußen treffen«, wollte Victoria wissen. Allerdings machte sie sich keine großen Gedanken darüber, ob Georges Bekannte wussten, dass er von der Marquise von Rockley nach draußen gerufen worden war. Sie bemühte sich nur noch darum, dass ihr Ruf keinen Schaden nahm, weil sie die Anzahl der mütterlichen Vorträge niedrig halten wollte.
Sie lächelte in sich hinein, während George ihr gegenüber Platz nahm. Die Komik an der ganzen Geschichte entging ihr nicht: Mitten in der Nacht übermenschlich starken Dämonen und Vampiren gegenüberzutreten war für sie kein Problem, aber sie tat alles, um zu vermeiden, ihrer Mutter in einem sonnendurchfluteten Salon zu begegnen.
»Ich hoffe, es geht um etwas Wichtiges; es ist das erste Mal seit zwei Wochen, dass ich wieder eine Glückssträhne habe«, erwiderte George statt einer Antwort auf ihre Frage, während er sich ihr gegenüber hinsetzte. »Wollen Sie etwa jetzt schon Ihren Gefallen einfordern?«
Victoria schüttelte den Kopf. »Nein, ich brauche Informationen. Was weiß die Tutela über den Anstieg dämonischer Aktivität hier und in Paris?«
»Habe schon
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