Das Buch der Vampire 05 - Sanfte Finsternis
abhalten...«
»Aha, jetzt wird mir einiges klar.« Ihre Stimme wurde ganz kalt, und sie wandte ihren Blick von ihm ab. Eine feuchte Locke klebte an ihrer aufgeschürften Wange. »Es ist nicht die Furcht vor dem Tod. Sondern wenn — falls - es dir gelingt, wieder die vollen Fähigkeiten eines Venators zu erlangen, hättest du keinen Vorwand mehr, um zu gehen. Keinen Vorwand, dich zu verstecken. Mich Sebastian aufzudrängen. Ist es nicht so, Max?«
Heiße Wut schoss durch seinen Körper, und er öffnete schon den Mund, um zu antworten. Aber im Grunde wollte er nicht darüber sprechen. »Du solltest dir die Haare schneiden.«
Sie sah ihn überrascht an, ging aber auf seinen Themenwechsel ein. »Ich habe auch schon darüber nachgedacht. Es ist zu lang und bringt mich dadurch in Gefahr.«
Das war nicht die Antwort, mit der er gerechnet hatte. Sie gefiel ihm nicht.
Tod und Verdammnis. Im Moment gefiel ihm gar nichts.
»Max, du hast Recht. Solange Lilith so besessen von dir ist, bedeutet das eine zusätzliche Gefahr.«
Er musterte sie aus zusammengekniffenen Augen, und wieder begann sich Unbehagen in ihm breitzumachen.
»Deshalb habe ich beschlossen, die Sache selbst in die Hand zu nehmen.« Sie lächelte. Es war kein verführerisches Lächeln oder auch nur ein erfreutes. Es war ein wildes, ein wölfisches Lächeln. »Sobald ich sicher bin, dass keine Gefahr mehr für Wayren droht, werde ich mich auf die Suche nach Lilith begeben ... und sie umbringen.«
Kapitel 7
In dem Sebastian den Frauen abschwört
Sebastian kehrte schließlich doch nicht in Victorias Schlafzimmer zurück.
Er hatte darüber nachgedacht, sein Pferd satteln zu lassen, um zu den Räumlichkeiten zu reiten, die er bewohnte, wenn er in London war, doch es zog ihn zurück in den Salon. Er wollte unbedingt nachschauen, ob die Gardella-Bibel, von der er so viel gehört hatte, tatsächlich da war. Ein seltsamer Gedanke, gewiss... Sie würde bestimmt nicht irgendwo herumliegen, und außerdem: Warum hatte er überhaupt das Bedürfnis, sie zu sehen? Früher war er doch auch nie auf die Idee gekommen. Trotzdem ließ ihn der Gedanke nicht mehr los, und er begab sich zu dem kleinen Raum, statt das Haus zu verlassen, erfüllt von seinen unliebsamen Überlegungen.
Obwohl Victoria gesagt hatte, dass Wayren schlafe, schien sie bereits auf ihn gewartet zu haben. Er hätte den Salon sofort wieder verlassen, wenn sich ihre blaugrauen Augen, denen nichts zu entgehen schien, nicht auf ihn gerichtet hätten, während sie halb liegend auf dem Sofa ruhte.
»Sebastian. Komm herein.«
»Aber du bist doch bestimmt müde.« Etwas tief in ihm sagte ihm, es würde ihm besser bekommen, wenn er wieder ginge.
»Bitte.«
Ehe er sich selbst dessen gewahr wurde, humpelte er bereits in den Salon, als würde er von einem unsichtbaren Band hineingezogen.
Wayren hatte ihn immer durcheinandergebracht - vom ersten Moment an, vor Jahren, als er sie kennenlernte und von seiner Berufung zum Venator erfuhr... bis zu dem Moment vor weniger als sechs Monaten, als er dabei ertappt wurde, wie er im Konsilium, dem geheimen Hauptquartier der Venatoren in Rom, herumschnüffelte.
Doch sie schien ihm nichts antun zu wollen, und im Gegensatz zu Pesaro lag auch keine Missbilligung in ihrem Blick. Er war ruhig. Friedlich.
Und scharfsichtig. Sein entwaffnender Charme wäre bei so viel Ehrlichkeit und Ernsthaftigkeit fehl am Platz.
»Quälen dich die Träume immer noch?«, fragte sie, während er sich setzte.
Von ihrer Frage überrascht, erstarrte Sebastian und verharrte mitten in der Bewegung. »Träume?« Woher wusste sie davon?
Aber sobald ihm dieser Gedanke kam, wusste er auch schon, dass die Frage dumm war. Wayren wusste viele Dinge — aus Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Wahrheit und Hinterlist. Versprechen und Drohungen.
Ihre Schwäche bestand nicht darin, was sie wusste oder nicht. Wayrens Beschränkung war ihre Unfähigkeit, das zu ändern, was sie wusste - oder ahnte. Oder manchmal einfach nur ihre Informationen preiszugeben.
Sie antwortete nicht, sondern sah ihn einfach nur an. Sebastian ließ sich in den Sessel sinken. Der Teufel sollte ihn holen. Er hätte gehen sollen, als er noch die Gelegenheit dazu gehabt hatte. Doch jetzt war er bereits zu tief verstrickt.
»Ich träume von Giulia, wenn es das ist, was du meinst.« Sebastian konnte kaum glauben, dass er es laut ausgesprochen hatte. Die Frau - oder eher das Mädchen -, die er vor so vielen Jahren geliebt
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