Das Buch der Vampire 05 - Sanfte Finsternis
schoss der Sauerstoff in seine Lunge. Seine Kraft war wieder da. Und als der Vampir über ihn herfallen wollte, wich Max mit einem Ruck zur Seite aus, wobei er seinen Schwung nutzte, um den Untoten mitzureißen. Beide krachten zu Boden, wo Max sich windend die Hand nach dem strömenden Blut an der Hand des Vampirs ausstreckte.
Doch statt Blut war da nur Dreck. Er sprang auf und hielt sich für einen erneuten Angriff des Vampirs bereit.
Sie packten einander gleichzeitig an den Schultern. Beide atmeten schwer. Max versuchte zu ignorieren, dass der Boden unter seinen Füßen schwankte, dass seine Finger und Knie zitterten, dass sein Körper vor Hitze glühte und vor seinen Augen Sterne tanzten.
Aber das Fieber zehrte immer mehr an seiner Kraft, und es fiel ihm schwer, überhaupt noch Luft zu holen.
Aber er würde verdammt noch mal nicht sterben.
Was zum Teufel machte er da?
Sebastian hatte mehr als fünf verpasste Gelegenheiten gezählt, dem Vampir den Pflock in die Brust zu stoßen, doch Pesaro hatte keine davon genutzt.
Stattdessen schlug er nach ihm. Mit der Faust. Ins Gesicht, auf den Arm, die Hand.
Wollte er etwa sterben?
Sebastian teilte seine Aufmerksamkeit zwischen Pesaro, der trotz seiner offensichtlichen Schwäche immer noch mehr Geschick zeigte, als er von ihm erwartet hätte - und Victoria, die wie zu einer Salzsäule erstarrt neben ihm saß.
Wenn Sebastian sich schon fragte, was Max den Kopf verwirrt haben mochte, dann dachte sie das bestimmt schon längst. Oder Schlimmeres.
Und Sebastian stellte fest, dass er nicht wusste, ob er nun wollte, dass der Mann gewann oder verlor.
Jetzt lag Max' Pflock außer Reichweite, am Boden der flachen Grube, und der Vampir war kaum verwundet, verspritzte aber bei jeder Bewegung Blut.
Sebastian spürte sein Herz rasen, spürte, wie sein ganzer Körper von Energie und Tatendrang durchströmt wurde, als Mensch und Untoter sich wieder aufeinanderstürzten. Außer dem Zusammenprallen zweier Körper, Ächzen und Stöhnen und einem gelegentlichen Klirren des Eisengitters war nicht zu hören.
Pesaro machte eine plötzliche Bewegung und stieß den Vampir von sich, um mit einem gut gezielten Tritt nachzusetzen. Sebastian ließ ihn nicht aus den Augen und wartete darauf, dass er sich den Pflock zurückholte, um ihn in die ungeschützte Brust zu stoßen, aber wieder strebte Max mit ausgestreckter Hand nach vorn, als wollte er den Untoten berühren.
Er wankte zurück, seine Hand war ganz rot vom Blut des Vampirs, und wieder stürzte sich der Untote auf ihn. Pesaro wehrte ihn ab, doch die Kreatur warf sich erneut auf ihn un schleuderte ihn zu Boden. Miteinander ringend stürzten sie und Max' Kopf krachte dabei mit einem widerlich dumpfe Laut gegen die Gitterstäbe. Sebastian hatte es gehört, und ein unangenehmes Kältegefühl machte sich in ihm breit, als Pesaro sich nicht mehr bewegte.
Der Vampir rappelte sich mühsam auf, und Max veränderte seine Position ganz leicht. Seine Augen öffneten sich. Zum ers ten Mal schauten die dunklen Augen zu ihnen hin; er sah, wie der Blick über Victoria glitt. Sie erstarrte neben ihm. Er spürte wie sie sich bemühte, Haltung zu bewahren, und hörte sie leise keuchen. Sie konnte in Max' Miene genauso gut lesen wie er.
Danach ging alles ganz schnell. Der Vampir kam mit ge fletschten Zähnen und rosa glühenden Augen auf ihn zu. Pesaro lag ganz still da, eine Hand ruhte auf seiner Brust, als wollte er sie schützen, die andere war hinter seinem Rücken. Sein Pflock befand sich außer Reichweite an der Wand.
Sebastian wusste, was passieren würde — er wusste es, konnte es aber nicht glauben -, und er tat das Einzige, was er tun konnte Als der Vampir zum tödlichen letzten Schlag ansetzte, zog Sebastian Victoria an sich und drückte ihr einen Kuss auf die Lippen.
Kapitel 15
Unsere Heldin zwischen Patsche und Dilemma
Als Victoria es endlich geschafft hatte, sich von Sebastian loszureißen, war schon alles vorbei.
Wütend und wie betäubt schob sie ihn weg, während sie voller Entsetzen war, was ihr entgangen sein könnte. Sie ahnte zwar, warum er es getan hatte: um zu verhindern, dass sie mit eigenen Augen sah, wie ihm der Todesstoß versetzt wurde.
Doch wie konnte er nur?
Brim und Michalas waren aufgesprungen, während sie mit Sebastian rang, und standen jetzt zwischen ihr und dem Eisengitter. Ihre Beine waren ganz wackelig, aber trotzdem stand sie auf und zwang sich dazu, nach vorn zu treten. Deshalb und weil sie einfach
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