Das Buch der Vampire 05 - Sanfte Finsternis
übergelaufen war. Sondern gar keine Gefühle.
Plötzlich kam ihr ein beängstigender Gedanke, und sie sagte doch nichts. Als er vor ein paar Monaten seine Venatorenkräfte verloren hatte, war das auch mit dem Verlust seiner Erinnerung einhergegangen. Doch Ylitos Weitblick hatte dafür gesorgt, dass sie fast sofort zurückgekommen war.
Bestand die Möglichkeit, dass er einen Teil seiner Erinnerung verloren hatte, nachdem er wieder im Besitz seiner Venatorenkräfte war?
Nein. Natürlich nicht. An alle anderen schien er sich schließlich auch zu erinnern.
Victoria wäre fast nach vorn getreten, als sich ihr Schmerz in Ärger verwandelte. Sie war Illa Gardella. Sie konnte etwas zu ihm sagen und ihn dazu bringen, ihr zu antworten... aber dann tat sie es doch nicht.
Sie würde sich nicht hier, vor allen anderen, der Möglichkeit aussetzen, die ganze Heftigkeit seiner Verachtung zu spüren zu bekommen. Ihre bebenden Finger und eine leichte Übelkeit sagten ihr, dass sie im Moment nicht die Kraft dafür hatte.
Deshalb zog sie sich, von Sebastians Tat und Max' kühler Distanz aus dem Gleichgewicht gebracht, in sich selbst zurück und blieb für ihre Verhältnisse ungewöhnlich still, als sie das leer stehende Gebäude verließen.
Der Mond stand hoch und rund am Himmel und tauchte die cremeweißen Gebäude in ein silbrig-bläuliches Licht, welches die bei Tage roten Dächer schwarz erscheinen ließ, als sie wieder auf ihre Pferde stiegen. Victoria ritt neben Brim und Sebastian, während Max und Wayren, die sich leise miteinander unterhielten, etwas zurückblieben. Michalas bildete die Nachhut.
Irgendwie gelangten sie zum Gasthof zurück, in dem sie Zimmer gemietet hatten. Den ganzen Weg über wechselte Victoria kein einziges Wort mit Max. Sie könnte sich nur mit eigenen Augen davon überzeugen, dass er unter all dem Dreck und Blut wieder ganz hergestellt war.
Aber eigentlich gab es gar nichts, was sie ihn fragen wollte. Sie hatte es schon in seinen Augen gelesen und in seinem Verhalten erkannt. Ihre anfängliche Erleichterung über seinen Erfolg wandelte sich allmählich in Bestürzung. Hatte Sebastians Verhalten ihre Beziehung zu Max wieder an den Punkt zurückgeführt, wo sie vor zwei Wochen gewesen waren?
Das Unterbringen und Versorgen der Pferde verlief schnell und ohne Probleme. Am Rande bekam Victoria mit, dass darüber gesprochen wurde, zu essen, zu trinken und zu feiern, und über die Notwendigkeit, am nächsten Morgen früh nach Muntii Fagaras aufzubrechen. Doch es war ihr egal. Sie lief einfach nur still mit, als sie über den kleinen Hof zur Tür des Gasthofes strebten, und überlegte dabei, ob sie nun wütend, froh oder einfach nur verletzt sein sollte.
Als sie gerade alle eingetreten waren, schlüpfte Max hinter Victoria und packte ihren Arm. Fest.
Überrascht drehte sie sich um, aber obwohl seine Finger fest um ihren Unterarm lagen, sagte er nichts. Er schaute sie noch nicht einmal an. Sondern Sebastian.
Es ging alles ganz schnell. Die beiden Männer wechselten einen Blick, ein kurzer, schweigender Austausch, und im nächsten Moment wurde eine Tür geöffnet und sie von Max in das Zimmer gezerrt. Sie besaß die Geistesgegenwart, es als den Raum wiederzuerkennen, den sie und Sebastian mit Antonin bewohnt hatten.
Max schloss die Tür und schob den Riegel mit einem lauten Knall zu, während er immer noch ihren Arm festhielt. Wut stieg in ihr hoch, und sie öffnete den Mund, um etwas zu sagen, während sie versuchte, sich seinem Griff zu entwinden — aber er war zu stark, und er nutzte den Schwung ihrer fruchtlosen Bemühungen, um sie herumzureißen.
Und im nächsten Moment wurde Victoria von Max' kräftigem Körper gegen die nackte Wand gedrückt, während er ihren Mund mit seinen Lippen bedeckte. Schließlich ließ er ihren Arm los und umfasste ihren Kopf mit beiden Händen. Dabei schmiegte er sich vom Mund bis zur Brust, von der Hüfte bis zu den Schenkeln an sie. Dann schob er ein Bein zwischen ihre Schenkel, sodass sie sich keinen Zentimeter mehr von der Stelle rühren konnte.
Es dauerte nur eine Sekunde, bis Victoria verstand und auch Körper und Geist begriffen. Dann schloss sie die Augen und ließ sich gegen ihn sinken, sodass sie von seiner Wärme, seinem Geruch und seiner Kraft umhüllt wurde. Max war zurück.
Nach einem langen, leidenschaftlichen Kuss ließ er so weit von ihr ab, dass sie Luft holen konnte. Er umfasste ihre Handgelenke und zog ihre Arme weit über ihren Kopf, während
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