Das Buch der Verdammnis (German Edition)
nein, er verschlang sie mit seinen Blicken.
"Darf ich fragen, wer deine unglaublich attraktive Bekanntschaft ist?" fragte er mich, ohne die Augen von ihr zu lassen.
Unglaublich attraktive Bekanntschaft. Musste er gleich so dick auftragen?
"Das ist Eva", sagte ich.
"Eva“, wiederholte Lester. „Was für ein wunderschöner Name."
"Danke", sagte Eva. Sie hauchte das Wort mehr, als dass sie es sprach.
"Eva ist Autorin“, sagte ich. „Sie schreibt zurzeit über einen Pathologen, der ökologisch einwandfreie Unterwäsche trägt."
"'Das klingt ungeheuer spannend", sagte Lester. In seinen Worten lag nicht ein Hauch von Ironie.
Eva war rot geworden. So verlegen hatte ich sie noch nie gesehen.
Sie versuchte zu reden, brachte aber vor Aufregung nur ein Krächzen hervor, räusperte sich.
"Und was machen Sie so?", fragte sie schließlich.
"Ich bin ein Geisterjäger“, antwortete Lester, ohne auch nur einen Moment zu zögern. „Dämonen aufspüren und liquidieren, Untote vernichten und Werwölfen das Herz aus der Brust reißen. Lassen Sie uns nicht darüber reden. Das ist eher eine langweilige Tätigkeit."
Eva sah ihn groß an, dann blickte sie unsicher auf mich. Ich erlebte einen der seltenen Momente, wo sie sprachlos war.
"Ich hab es dir gesagt", meinte ich.
Sie sah ihn wieder an, einen Moment lang sagte niemand etwas. Dann verzog sich ihr Gesicht. Sie fing an zu lachen, erst langsam, dann immer heftiger, bis sie sich vor uns krümmte und sich am Bartresen festhalten musste.
"Das ist gut, das ist wirklich witzig", brachte sie schließlich hervor. "Leon“, sagte sie zu mir. „Das ist witzig, so etwas täte deinen Geschichten auch gut."
"Ich werd mir das merken."
Es waren meine Worte, die Lester zitiert hatte. Die berühmte Hank-Lester-Vorstellung, die beinahe in jedem zweiten Heft vorkam. Und jetzt benutzte sie dieser Pseudo-Lester, um meiner Ex-Freundin zu imponieren. Und hatte offensichtlich Erfolg damit.
Die beiden bemerkten kaum noch, dass ich neben ihnen stand. Ich nahm meine Flasche Bier und verzog mich in einem anderen Raum.
Ich hatte es mir an einer der kleinen Bars mit meinem Bier gemütlich gemacht, als ich Rolf Bommer durch den Raum auf mich zustürmen sah. Auch das noch. Bommer war einer der Autoren des Verlags. Einmal hatte ich einen Liebesroman von ihm gelesen. Seine Sprache war so süßlich, dass man schon nach zwei Seiten einen Zuckerschock bekam und nach drei weiteren Seiten ernsthaft Gefahr lief, an Diabetes 2 zu erkranken. Ich versuchte mich auf irgendeine Art unsichtbar zu machen, aber es war schon zu spät. Er hatte mich entdeckt. Bommer war ein dünner, langer Mann mit Hornbrille, er war wie immer ganz in Schwarz gekleidet und hatte auf seinem Kopf eine alberne Baskenmütze, die er nie abnahm. Auf seinen Autogrammkarten sah er einen mit einem finsteren Blick an und hatte dabei sein Kinn auf die gespreizten Daumen und Zeigefinger gestützt. Ich bekam jedes Mal Magenkrämpfe, wenn ich ihn traf.
Er begrüßte mich, als hätte er mich Jahre nicht gesehen und stellte sein Bierglas auf dem Tresen ab.
„Es ist toll, dass ich dich hier treffe“, sagte er.
Ich nickte stumm. Er sagte das jedes Mal, wenn wir uns begegneten.
„Du hast doch schon davon gehört?“ fragte er dann.
Ich nahm einen Schluck von meinem Bier. Das war die obligatorische Eingangsfrage. Ich wusste, was jetzt kommen würde. Eines von Bommers Büchern hatte einen Preis gewonnen, er hatte die Filmrechte seines letzten Romans mit einem horrenden Preis verkauft, er hatte eine glänzende Kritik in der Zeitung erhalten. Bommer war unter den Autoren der größte Angeber.
„Ich hab noch nichts davon gehört“, antwortete ich. Ich hätte das nicht sagen sollen. Diese Worte waren das Stichwort, das er brauchte.
„ Das letzte Buch von mir hat einen Preis bekommen. Den Preis für umweltbewusstes Schreiben. Dieser Preis wurde zum ersten Mal von der Vereinigung ökologischer Kulturschaffender vergeben.“
Mir blieb das Bier im Halse stecken.
„Sag mal, willst du mich verarschen?“, fragte ich.
„ Auf witzige und geistreiche Art werden die Probleme des Umweltschutzes dem Leser näher gebracht. Rolf Bommer hat einen Helden kreiert, der den Kampf gegen Umweltverschmutzung auf seine Fahnen geschrieben hat. So hieß es in der Urteilsbegründung.“
Ich sah ihn an. Es war das erste Mal, dass er mir leidtat. Wenn er auf so einen Preis stolz war, dann musste es schlecht um ihn stehen.
„Das ist toll“, sagte ich
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