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Das Buch der Verdammnis (German Edition)

Das Buch der Verdammnis (German Edition)

Titel: Das Buch der Verdammnis (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunnar Schuberth
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„Ich hab mir das gerade erst ausgedacht. Es gibt gar keine Lösung. Man wird von beiden gleich betrunken.“
    Ich war einen Moment unsicher. Dann stimmte ich in ihr Lachen ein. Was für eine Frau. Sie liebte Gedichte und Denkspiele, sah umwerfend aus und hatte auch noch einen wunderbar schrägen Sinn für Humor.
    „Sind Sie allein hier?“, fragte ich, als wir uns endlich beruhigt hatten.
    Sie strahlte mich an. „Sagen wir doch du.“
    Wir gaben uns die Hand. Sie hatte weiche, zarte Finger. Und trug keinen Ring.
    So musste es sein, dachte ich. Kein dummes Herumreden, keine verkrampften, oberflächlichen Gespräche, die ich sonst mit meinen Autorenkollegen führte, über die politische Situation in Belarus oder welche Mittelchen am besten gegen Hämorrhoiden halfen. Man sah sich und verstand sich. Ich fühlte mich ganz leicht und sicher.
    „Lass uns noch etwas trinken“, sagte Helen. „Etwas Richtiges. Magst du Cocktails?“
    „ Natürlich“, sagte ich. Sie wandte sich an den Barkeeper.
    „ Zwei Bloody Mary.“
    „ Wir werden uns besaufen“, sagte sie zu mir. „Du und ich. Das wird ein Abend, den du nicht vergessen wirst.“
    Es wurde immer besser. Eine Frau, die Gedichte und Denkspiele liebte, umwerfend aussah, einen wunderbar schrägen Humor hatte und der es Spaß machte, sich zu besaufen.
    Ich erlebte den Abend mit ihr wie in einem Traum. Wir erzählten uns unsere Lieblingsgedichte und sie erklärte mir ihre Ansichten zur Kopenhagener Interpretation der Quantenmechanik.
    Der Träger ihres Kleides rutschte immer öfters verführerisch nach unten, der Alkohol stieg mir zu Kopf und ihre Blicke und Bewegungen versprachen eine Nacht voller Ausschweifungen.
    Wie ein Blitzlicht tauchte für Sekunden die Idee bei mir auf, es könnte an Hanks furchtbarem Getränk liegen, dass sich alles so wunderbar entwickelte. Aber diesen Gedanken verwarf ich so schnell, wie er gekommen war.
    Von Hank sah ich den ganzen Abend nichts mehr. Auch Gonzo war verschwunden, aber das kümmerte mich nicht. Ich hatte nur noch Augen für Helen.
    Nach dem dritten Glas Bloody Mary hatte Helen Lust auf einen Nachtspaziergang im Park. 
    Ich war begeistert von der Idee.
    „Das stelle ich mir ungeheuer romantisch vor“, sagte ich.
    Als wir durch die Verlagsräume gingen, hatte die Party ihren Höhepunkt erreicht. Es war kurz vor zwölf, auf der Tanzfläche war es eng und laut, an den verschiedenen Bars standen die Gäste dicht gedrängt.
    „Bist du allein gekommen? Vielleicht willst du jemand Bescheid sagen, dass du weggehst“, fragte ich Helen.
    Sie überlegte kurz, dann schaute sie sich um.
    „Hier ist niemand, den ich kenne.“
    „ Gut, dann gehen wir.“
    Ich habe mich später gefragt, warum mich ihr Verhalten nicht misstrauisch gemacht hat. Ich hatte sie allein an der Bar sitzend kennengelernt. Sie wusste nicht, wie sie zu dieser Party gekommen war, sie kannte hier niemand, aber das schien sie nicht im Geringsten zu stören. Es war, als wäre sie von einem anderen Planeten mitten in die Party gefallen. Aber ich fragte nichts, ich wollte nichts wissen, ich war wie berauscht von ihrer Nähe, von dem Zauber dieser Nacht.
    Es war ein Gefühl des Ankommens, einer jener seltenen Momente, wo man sich sicher war, dass all die täglichen Widrigkeiten und banalen Ereignisse unseres Lebens auf einmal eine Bedeutung hatten und die Vorbereitung waren für den einen Abend, wo sich alles erfüllte und einen Sinn bekam. Einen Sinn, der mit einem Schlag offen vor einem lag und den man vorher nie verstanden hatte.
    Als wir ins Freie traten, atmete ich tief ein. Der Dianapark, in dem wir spazieren gehen wollten, grenzte direkt an das Verlagsgebäude. Es war eine laue Spätsommernacht, der Himmel war klar, am Firmament blinkten unzählige Sterne und ein tiefer Vollmond lag über der Szenerie.
    Helen blieb auf einmal stehen und starrte wie gebannt auf den Mond.
    „ Es ist Vollmond heute“, sagte ich.
    „ Vollmond“, wiederholte sie wie mechanisch. Sie sah mich an. Ihre Lippen zitterten etwas.
    „ Was ist los?“ fragte ich.
    Sie schüttelte den Kopf, sagte nichts, starrte dann auf den riesigen, runden Ball am Himmel. Sie drehte sie sich zu mir um.
    „Du musst mir etwas versprechen“, sagte sie.
    Sie war auf einmal sehr aufgeregt.
    „Ja?“, fragte ich.
    Sie sah mich lange an. Auf einmal drückte sie mich an sich. Sie umarmte mich so fest sie nur konnte. Sie war ganz nah, ich roch ihr Parfüm, ein leichter schwebender Duft, der mich an das

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