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Das Buch der verlorenen Dinge

Das Buch der verlorenen Dinge

Titel: Das Buch der verlorenen Dinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Connolly
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daraus machen müssen, um ihretwillen und auch um seinetwillen. Wenn der Krumme Mann dieses Versprechen nicht halten konnte, welche würde er dann noch brechen?
    Roland hatte recht gehabt mit seiner Warnung: »Er wird nicht alles sagen, was er plant, und mehr verbergen, als er enthüllt.«
    In jedem Handel mit dem Krummen Mann würden Fallen und Gefahren lauern. David konnte nur hoffen, dass der König imstande und willens war, ihm zu helfen, damit er sich nicht mit dem Trickser einlassen musste. Doch was er bisher über den König gehört hatte, war nicht dazu angetan, seine Hoffnung zu stärken. Roland hatte offensichtlich nicht viel von ihm gehalten, und sogar der Förster hatte zugegeben, dass der König zusehends die Herrschaft über sein Reich verlor. Und nun, da Leroi und seine Wolfsarmee auf die Burg zumarschierten, würde der König vielleicht nicht standhalten können. Sie würden ihn stürzen, und er würde in Lerois Fängen sterben. Würde der König unter der Last dieser Bedrohung überhaupt noch Zeit für die Probleme eines Jungen haben, der nicht in seine Welt zurückfand?
    Und was hatte es mit diesem Buch auf sich, dem Buch der verlorenen Dinge? Was konnte darin enthalten sein, das David half, nach Hause zu kommen? Vielleicht eine Karte, die ihn zu einem anderen hohlen Baum führte, oder ein Zauberspruch, der ihn auf magische Weise zurückbrachte? Aber wenn das Buch Zauberkräfte besaß, warum konnte der König es nicht dazu benutzen, sein eigenes Reich zu schützen? David hoffte, dass der König nicht wie der Zauberer von Oz war, jede Menge Brimborium und gute Absichten, aber keine wirkliche Macht dahinter.
    David war so in seine Gedanken verloren und so daran gewöhnt, allein auf der Straße zu sein, dass er die beiden Männer erst bemerkte, als sie direkt vor ihm standen. Sie waren in Lumpen gehüllt und ihre Gesichter mit Schals so vermummt, dass nur die Augen zu sehen waren. Der eine war mit einem Kurzschwert bewaffnet, der andere mit einem Bogen, den Pfeil schussbereit auf der gespannten Sehne. Sie sprangen aus dem Unterholz, warfen die weißen Felle ab, die sie als Tarnung benutzt hatten, und versperrten David mit erhobenen Waffen den Weg.
    »Halt!«, rief der Mann mit dem Schwert, und David brachte Scylla nur eine Armeslänge von ihnen entfernt zum Stehen.
    Der andere zielte mit seinem Pfeil auf David, doch einen Augenblick später lockerte er die Spannung der Sehne und ließ die Waffe sinken.
    »Das ist ja bloß ein Junge«, sagte er. Seine Stimme war rau und polterig. Er zog den Schal vom Gesicht, und David sah, dass sein Mund von einer senkrechten Narbe entstellt war, die quer über die Lippen lief. Sein Kumpan schob sich die Kapuze vom Kopf. Dort, wo früher die Nase gewesen sein musste, war nur noch ein hässliches Narbengewebe mit zwei Löchern in der Mitte.
    »Junge oder nicht, das ist ein gutes Pferd, auf dem er reitet«, sagte er. »So ein feines Tier steht ihm gar nicht zu. Wahrscheinlich hat er es gestohlen, also ist es keine Sünde, ihm abzunehmen, was ihm sowieso nicht gehört.«
    Er griff nach Scyllas Zügeln, doch David lenkte das Pferd einen Schritt zurück.
    »Ich habe es nicht gestohlen«, sagte er ruhig.
    »Was?«, fragte der Dieb. »Was hast du gesagt, Kleiner? Werd ja nicht frech, oder dir bleibt nicht mehr lange Zeit zu bedauern, dass du uns begegnet bist.«
    Drohend erhob er sein Schwert. Es war einfach und derb geschmiedet, und David konnte die Spuren des Wetzsteins auf der Klinge sehen. Wiehernd wich Scylla noch ein paar Schritte zurück.
    »Ich sagte«, wiederholte David, »ich habe es nicht gestohlen, und euch überlasse ich es ganz bestimmt nicht. Und jetzt macht, dass ihr wegkommt.«
    »Du kleine Ratte – «
    Der Schwertmann wollte erneut Scyllas Zügel packen, doch diesmal ließ David sie auf die Hinterbeine steigen, und als sie sich wieder herabsenkte, traf einer ihrer Hufe den Schwertmann an der Stirn. Ein hohles Krachen ertönte, und er fiel tot zu Boden. Sein Kumpan war so schockiert, dass er nicht schnell genug reagierte. Noch während er versuchte, den Bogen zu spannen, zog David sein Schwert und trieb Scylla vorwärts. Er hieb auf den Bogenschützen ein, und die Spitze seines Schwertes bohrte sich in den Hals des Mannes. Taumelnd ließ der Räuber den Bogen fallen. Er griff sich an die Kehle und versuchte zu sprechen, doch es kam nur ein Gurgeln heraus. Blut schoss zwischen seinen Fingern hervor und spritzte auf den Schnee. Mit rot getränkten Lumpen sank

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