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Das Buch der verlorenen Dinge

Das Buch der verlorenen Dinge

Titel: Das Buch der verlorenen Dinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Connolly
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nicht vermissen wirst…«
    Doch bevor er weitersprechen konnte, hörten sie Roland zurückkommen.
    Der Krumme Mann wedelte mit seinem krallenartigen Zeigefinger vor Davids Gesicht herum. »Wir sprechen uns wieder, und vielleicht bist du dann ein wenig dankbarer!«
    Damit begann er, sich auf der Stelle zu drehen, immer schneller, bis sich ein Loch in der Erde auftat und er darin verschwand. Das Einzige, was von ihm übrig blieb, war die braune Kutte. Sein Speichel war im Boden versickert, und die Bilder aus Davids Welt waren nicht mehr zu sehen.
    David spürte, wie Roland neben ihn trat, und beide spähten hinunter in das dunkle Loch, das der Krumme Mann hinterlassen hatte.
    »Wer oder was war das?«, fragte Roland.
    »Er hat sich als der alte Mann ausgegeben«, sagte David. »Er hat gesagt, er könnte mir helfen, nach Hause zurückzukehren, und er wäre der Einzige, der das könnte. Ich glaube, er war der, von dem der Förster erzählt hat. Er nannte ihn einen Trickser.«
    Roland sah das Blut an der Klinge von Davids Schwert.
    »Hast du ihn verletzt?«
    »Ich war wütend«, sagte David. »Es ist passiert, bevor ich etwas dagegen tun konnte.«
    Roland nahm David das Schwert ab, zupfte ein großes grünes Blatt von einem Strauch und wischte damit die Klinge ab.
    »Du musst lernen, deine Impulse zu kontrollieren«, sagte er. »Ein Schwert will benutzt werden. Es will, dass Blut fließt. Dafür wurde es geschmiedet, und das ist das Einzige, wozu es gut ist. Wenn du es nicht beherrschst, wird es dich beherrschen.«
    Er gab David das Schwert zurück. »Das nächste Mal, wenn dir dieser Mann begegnet, verletze ihn nicht nur, sondern töte ihn«, sagte Roland. »Ganz gleich, was er sagt, er will dir nichts Gutes.«
    Gemeinsam gingen sie zu Scylla, die am Gras knabberte.
    »Was hast du dort drüben gesehen?«, fragte David.
    »Mehr oder weniger dasselbe wie du, nehme ich an«, sagte Roland. Er schüttelte leicht verärgert den Kopf, weil David seine Anweisungen nicht befolgt hatte. »Was auch immer diese Männer getötet hat, es hat ihnen das Fleisch von den Knochen gesogen und die Überreste in die Bäume gehängt. Der ganze Wald ist voller Leichen, so weit das Auge reicht. Die Erde ist noch feucht von Blut, aber die Männer haben dieses ›Ungeheuer‹ verletzt, bevor sie starben. Auf dem Boden ist eine widerwärtige schwarze Substanz, und die Spitzen einiger Speere und Schwerter sind davon geschmolzen. Wenn man dieses Wesen verwunden kann, dann kann man es auch töten, aber dafür braucht es mehr als einen Soldaten und einen Jungen. Das ist nicht unsere Angelegenheit. Wir reiten weiter.«
    »Aber – «, begann David, doch er wusste nicht, was er sagen sollte. In den Geschichten war es anders. Soldaten und Ritter erlegten Drachen und Ungeheuer. Sie hatten keine Angst, und sie liefen nicht vor dem drohenden Tod davon.
    Roland saß bereits wieder im Sattel. Er hatte die Hand ausgestreckt und wartete darauf, dass David sie nahm. »Wenn du etwas zu sagen hast, dann sag es, David.«
    David suchte nach den richtigen Worten. Er wollte Roland nicht vor den Kopf stoßen.
    »Diese Männer sind alle tot, und das, was sie getötet hat, lebt noch, auch wenn es verwundet ist«, sagte er. »Und es wird wieder töten, nicht wahr? Noch mehr Menschen werden sterben.«
    »Schon möglich«, meinte Roland.
    »Sollten wir dann nicht etwas tun?«
    »Was schlägst du vor? Sollen wir es vielleicht mit unseren anderthalb Schwertern erlegen? Das Leben ist voller Drohungen und Gefahren, David. Wir stellen uns denen, denen wir nicht ausweichen können, und es gibt Zeiten, in denen wir für eine wichtige Sache eintreten müssen, selbst wenn es uns Kopf und Kragen kosten kann, aber wir werfen unser Leben nicht einfach sinnlos weg. Jeder von uns hat nur eines, und es liegt kein Ruhm darin, es für eine hoffnungslose Sache hinzugeben. Und jetzt komm. Es wird dunkel. Wir brauchen einen Unterschlupf für die Nacht.«
    David zögerte noch einen Moment, dann nahm er Rolands Hand und ließ sich in den Sattel heben. Er dachte an all die toten Männer und fragte sich, was das wohl für ein Wesen sein mochte, das ihnen so schlimme Dinge antun konnte. Der Panzer stand immer noch auf dem Schlachtfeld, einsam und fremdartig. Irgendwie hatte er den Weg aus seiner Welt in diese gefunden, aber ohne Besatzung und anscheinend ohne je benutzt worden zu sein.
    Während sie davonritten, dachte er an die Bilder in der Speichelpfütze und an das, was der Krumme Mann gesagt

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