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Das Buch der verschollenen Geschichten - Teil 1 & Teil 2

Das Buch der verschollenen Geschichten - Teil 1 & Teil 2

Titel: Das Buch der verschollenen Geschichten - Teil 1 & Teil 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J.R.R. Tolkien
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doch vermag ich nicht zu sagen, o Veanne, wie hoch er war, denn es ist viele Jahre her, seit ich diese Burg und ihren hohen Turm zum letzten Mal gesehen habe. Der Krieg brach plötzlich über diese Stadt und ihren traulichen Frieden herein, und ihre brüchigen Mauern konnten dem Angriff der wilden Menschen aus den Gebirgen des Ostens nicht standhalten. Dort, bei dieser grausamen Belagerung, ging meine Mutter am Hunger zugrunde, und mein Vater, erbittert auf den Mauern kämpfend, fand im letzten Gefecht den Tod. In jenen Tagen war ich ein Knabe und noch nicht kriegstüchtig, und so wurde ich zu einem Sklaven gemacht.
    Wisset denn, dass mein Vater einem Küstenvolk entstammte, ehe er in jene Stadt verschlagen wurde, und die Sehnsucht nach dem Meer, das ich nie gesehen hatte, lag mir im Blut; oft hatte mein Vater sie genährt, indem er mir Geschichten von der großen See erzählte oder die Kunde beschwor, dieer vor Zeiten von seinem Vater gelernt hatte. Ich will nicht von der Mühsal erzählen, die ich danach in der Sklaverei erlitt, denn am Ende brach ich meine Ketten und entkam ans Gestade des Westlichen Meeres – und seit jenen fernen Tagen habe ich meist auf den Wellen des Meeres oder an seinem Rande gelebt.«
    Als sie nun von den Leiden erfuhren, von Krieg und Tod, welche die Bewohner der Großen Lande befielen, waren die Kinder von Trauer erfüllt, und Veanne, sich an Eriol klammernd, sagte: »O Melinon, zieh niemals in einen Krieg – oder hast du es schon einmal getan?«
    »Ja, oft genug«, erwiderte Eriol, »doch waren es nicht die großen Kriege irdischer Könige und mächtiger Staaten, die grausam und bitter sind, und die alles zugrunde richten, die Schönheit der Erde und die der lieblichen Dinge, welche die Menschen in Zeiten des Friedens mit ihren Händen bilden – ach, sie verschonen weder liebliche Frauen noch zarte Mädchen, wie du eines bist, Veanne Melinir, denn dann sind die Männer trunken vor Zorn und Blutgier, und Melko treibt sein Unwesen. Doch ritterliche Kämpfe habe ich gesehen, bei denen tapfere Männer zuweilen aufeinandertreffen und die Klingen kreuzen, und wo die Stärke des Leibes und des Herzens sich beweisen – aber, ach, warum sprechen wir von diesen Dingen, meine Kleine; möchtest du nicht lieber etwas über meine Abenteuer auf dem Meer erfahren?«
    Da wurden sie alle sehr neugierig auf seine Geschichte, und Eriol erzählte ihnen von seinen ersten Streifzügen durch die westlichen Häfen, von den Gefährten, die er gefunden hatte, und von den Ankerplätzen, die er kannte; er erzählte, wie er einmal auf fernen westlichen Inseln Schiffbruch erlitten und dort auf einem einsamen Inselchen einen uralten Seemann getroffen habe, der für sich allein in einer Hütte am Gestadewohnte, die er sich aus den Trümmern seines Bootes erbaut hatte. »Er wusste mehr über die Geheimnisse des Meeres«, sagte Eriol, »als jeder andere, dem ich begegnet bin, und vieles in seinem Wissen grenzte an Zauberei. Sonderbare Dinge erzählte er mir von den Gefilden weit jenseits des Westlichen Meeres, von den Zauberinseln und von jener einen, die in letzter Einsamkeit hinter ihnen lag. Einmal vor langer Zeit, sagte er, habe er sie erspäht, in weiter Ferne aufschimmernd, und sie später lange, lange vergeblich gesucht. Reiches Wissen teilte er mir mit über die verborgenen Meere und die dunklen, unbefahrenen Wasser, und ohne dieses Wissen hätte ich dies lieblichste aller Länder oder diese trauliche Stadt oder die Hütte des Vergessenen Spiels nie gefunden – doch es bedurfte noch einer langen und bitteren Suche und manch einer mühseligen Reise, bis ich am Ende, dank des Segens der Götter, nach Tol Eressea gelangte – und darum sitze ich nun hier und spreche zu dir, Veanne, bis die Kehle mir trocken geworden ist.«
    Trotzdem bat ihn ein Junge, Ausir, mehr von Schiffen und dem Meer zu erzählen, und er sagte: »Wusstest du denn nicht, o Eriol, dass dieser uralte Seemann am einsamen Gestade kein anderer war als Ulmo selbst, der Reisenden, die er liebt, nicht selten in dieser Gestalt erscheint? Wer aber mit Ulmo gesprochen hat, weiß manche Geschichte zu erzählen, die selbst in den Ohren derer, die hier in Kortirion wohnen, nicht langweilig klingt.« Doch zu dieser Zeit schenkte Eriol Ausirs Worten keinen Glauben und sagte: »Nein, vergeltet mir meine Geschichte, bevor Ilfrin den Gong zum Abendessen schlägt – einer von euch soll mir eine Geschichte erzählen, die ihr gehört habt.«
    Da setzte sich

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