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Das Buch der verschollenen Geschichten - Teil 1 & Teil 2

Das Buch der verschollenen Geschichten - Teil 1 & Teil 2

Titel: Das Buch der verschollenen Geschichten - Teil 1 & Teil 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J.R.R. Tolkien
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erzählt, dass es viele gab, die entkamen und in den Wäldern und Ödlanden umherwanderten, und von diesen Sippen der Wildnis und des Waldes schloss sich manche König Tinwelint an. Die meisten von ihnen waren Ilkorindi – was heißt, dass es Eldar waren, die niemals Valinor oder die Zwei Bäume geschaut oder in Kôr gewohnt hatten –, und sie waren unheimliche und sonderbare Wesen, die wenig wussten von Licht und Schönheit und Musik, sondern nur dunkle Weisen und wundersam rauhe Gesänge kannten, die in den Waldgewölben verklangen oder in tiefen Höhlen widerhallten. Anders wurden sie freilich, als die Sonne sich erhob, und schon vorher hatten sich viele wandernde Gnomen zu ihnen gesellt, und auch schweifende Kobolde aus Lóriens Scharen wohnten in den Höfen von Tinwelint und gehörten zum Gefolge Gwendelings, und diese gehörten nicht zu den Geschlechtern der Eldalie.
    Nun wohnte Tinwelint in den Tagen des Sonnenlichtes und des Mondscheins noch immer in Artanor, und weder er selbst noch die Mehrzahl seines Volkes zogen in die Schlacht der Ungezählten Tränen, obgleich diese Geschichte nicht hierher gehört. Doch nach jener unglücklichen Schlacht vergrößerte sichseine Herrschaft beträchtlich durch die Flüchtlinge, die unter seinem Dache Schutz suchten. Verborgen den Augen und Gedanken Melkos blieb seine Behausung durch die Zauber von Gwendeling, der Fee, und sie umgab die Pfade, die dorthin führten, mit einem Zauber, so dass niemand außer den Eldar ihnen leicht folgen konnte, und der König vor jeder Gefahr, außer durch Verrat, sicher war. Seine Hallen wurden nun in einer tiefen Höhle von gewaltigem Ausmaß errichtet, und sie waren gleichwohl eine königliche und schöne Wohnstatt. Diese Höhle war im Herzen des gewaltigen Waldes von Artanor gelegen, dem größten aller Wälder, und ein Fluss floss vor ihren Toren, und niemand konnte sie durchschreiten, der nicht den Fluss überquerte, den eine schmale und streng bewachte Brücke überspannte. Dieser Ort war frei vom Bösen, obgleich die Eisenberge nicht allzu weit entfernt waren, hinter denen Hisilóme lag, wo Menschen lebten und versklavte Noldoli arbeiteten, und wohin wenig freie Eldar gingen.
    Nun höre, ich will dir von Dingen berichten, die sich nach dem Aufgang der Sonne tatsächlich in den Hallen Tinwelints zutrugen, doch lange bevor die unvergessene Schlacht der Ungezählten Tränen geschlagen wurde. Und weder hatte Melko seine Pläne vollendet noch seine ganze Macht und Grausamkeit enthüllt.
    Damals hatte Tinwelint zwei Kinder, Dairon und Tinúviel, und Tinúviel war ein Mädchen, das schönste aller Mädchen der verschollenen Elben, und, fürwahr, wenige sind so schön gewesen, denn Tinúviels Mutter war eine Fee, eine Tochter der Götter; Dairon hingegen war damals ein kräftiger, fröhlicher Junge, der es über alles liebte, auf einer Flöte aus Rohr oder auf anderen Instrumenten des Waldes zu spielen, und er wird heute zu den drei berühmtesten Zaubermusikanten der Elben gezählt; und die beiden anderen sind Zwitschervogel und Iváre, der am Gestade des Meeres spielt. Tinúviels höchste Freude war dagegen der Tanz, und an Anmut und Feinheit ihrer huschenden Füße kam ihr niemand gleich.
    Es gab nun für Dairon und Tinúviel kein größeres Entzücken, als den Höhlen-Palast ihres Vaters Tinwelint zu verlassen und gemeinsam lange Zeiten unter den Bäumen zuzubringen. Dort saß Dairon oft auf einem Grasbüschel oder einer Baumwurzel und musizierte, während Tinúviel dazu tanzte, und wenn sie zur Musik Dairons tanzte, war sie anmutiger als Gwendeling und zaubrischer als Zwitschervogel unter dem Mond, und ein solch federleichter Tanz war vielleicht nur in den Rosengärten Valinors zu sehen, wo Nessa auf dem immergrünen Rasen tanzt.
    Selbst zur Nacht, im bleichen Schein des Mondes, spielten und tanzten sie immerfort, ohne sich zu fürchten, wie ich es getan hätte, denn die Herrschaft Tinwelints und Gwendelings hielt das Böse von den Wäldern fern, Melko beunruhigte sie noch nicht, und die Menschen waren jenseits der Berge eingeschlossen.
    Der Platz nun, den sie am meisten liebten, war ein schattiger Fleck, wo Ulmen und auch Buchen wuchsen, doch sie waren nicht sehr hoch, und auch einige weißblühende Kastanien standen dort, der Grund jedoch war feucht, und unter den Bäumen wucherte üppig und dicht ein Nest von Schierling. Dort spielten sie an einem Tag im Juni, und die weißen Dolden des Schierlings schwebten wie eine Wolke um die

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