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Das Buch der verschollenen Geschichten - Teil 1 & Teil 2

Das Buch der verschollenen Geschichten - Teil 1 & Teil 2

Titel: Das Buch der verschollenen Geschichten - Teil 1 & Teil 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J.R.R. Tolkien
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Baumstämme. Dort tanzte Tinúviel, bis spät der Abend schwand und viele weiße Nachtfalter sie umflatterten. Tinúviel, die ein Feengeschöpf war, beachtete sie nicht, wie es viele der Kinder der Menschen tun, wenngleich sie Käfer nicht liebte, und wegen Ungweliante wird kein Eldar eine Spinne berühren – dochjetzt schwirrten die weißen Nachtfalter um ihren Kopf, und Dairon trillerte eine geisterhafte Weise, als sich plötzlich etwas Merkwürdiges ereignete.
    Nie habe ich erzählen hören, wie Beren über die Berge an diesen Fleck kam; doch war er tapferer als die meisten, wie du noch hören wirst, und vielleicht war es bloß die Wanderlust, die ihn die Schrecken der Eisenberge überwinden ließ, bis er das Jenseitsland erreichte.
    Beren nun war ein Gnom, Sohn von Egnor, dem Waldläufer, der an den dunkleren Plätzen 3 im Norden von Hisilóme jagte. Furcht und Argwohn herrschten zwischen den Eldar und denen ihres Geschlechtes, welche die Sklaverei Melkos erlitten hatten, und so rächten sich die Untaten der Gnomen am Schwanenhafen. Nun verbreiteten sich die Lügen Melkos unter Berens Volk, so dass man den verborgenen Elben böse Dinge zutraute; doch jetzt erblickte er Tinúviel, die im Zwielicht tanzte, gekleidet in ein silbrig perlendes Gewand, und ihre nackten Füße huschten zwischen den Stengeln des Schierlings umher. Da fragte Beren nicht, ob sie eine Vala, eine Elbin oder ein Kind der Menschen war, sondern er kroch näher, um sie zu sehen; und er lehnte sich gegen eine junge Ulme, die auf einem Hügel wuchs, damit er in die kleine Lichtung hinabblicken konnte, wo sie tanzte, denn die Verzauberung machte ihn schwach. Sie war so schlank und so lieblich, dass er schließlich, um besser sehen zu können, schutzlos und offen dastand, und in diesem Augenblick fiel das volle Mondlicht strahlend durch die Zweige, und Dairon erblickte Berens Gesicht. Mit einem Blick erkannte er, dass Beren nicht dem Elbenvolk entstammte, und weil alle Wald-Elben die Gnomen von Dor Lómin für heimtückische, grausame und treulose Geschöpfe hielten, ließ er sein Instrument fallen und rief: ›Fliehe, fliehe, o Tinúviel, ein Feind geht in diesem Walde um!‹ Und schon warer zwischen den Bäumen verschwunden. In ihrer Verwirrung folgte ihm Tinúviel nicht sogleich, denn sie verstand seine Worte nicht so rasch, und da sie wusste, dass sie nicht ebenso schnell laufen oder springen konnte wie ihr Bruder, ließ sie sich geschwind zwischen die weißen Schierlingspflanzen zu Boden sinken und verbarg sich unter einer besonders großen Pflanze mit vielen ausladenden Blättern; und dort lag sie und sah in ihrem weißen Gewand wie ein Flecken von Mondlicht aus, das schimmernd durch die Zweige auf den Boden fiel.
    Da war Beren betrübt, denn er fühlte sich einsam, und er war traurig, dass er sie erschreckt hatte, und er hielt überall nach Tinúviel Ausschau, weil er nicht glaubte, dass sie entflohen war. So kam es, dass er plötzlich seine Hand auf ihren schlanken Arm zwischen den Blättern legte, und mit einem Aufschrei schreckte sie hoch und entfloh ihm, so schnell sie es in dem ungewissen Licht zwischen den Baumstämmen und Schierlingstengeln vermochte. Die zarte Berührung ihres Armes hatte Beren nur noch begieriger gemacht, sie zu finden, und er folgte ihr eilig, doch nicht schnell genug, denn am Ende entkam sie ihm und gelangte furchterfüllt zur Wohnung ihres Vaters; und noch viele Tage danach tanzte sie nicht mehr allein in den Wäldern.
    Das war ein großer Kummer für Beren, der diesen Ort nicht verlassen mochte, weil er hoffte, dieses schöne Elbenmädchen noch einmal tanzen zu sehen, und auf der Suche nach Tinúviel durchstreifte er die wilden und einsamen Wälder Tag für Tag. Er suchte sie, wenn der Tag anbrach und in der Abenddämmerung, doch er war immer am hoffnungsvollsten, wenn hell der Mond schien. Endlich erspähte er eines Nachts in weiter Ferne ein Flirren, und siehe, es war Tinúviel, die auf einer kleinen, baumlosen Anhöhe tanzte, und Dairon war nicht bei ihr. Später kam sie immer öfter dorthin, sang und tanzte für sich allein,und zuweilen war Dairon in der Nähe, und dann schaute Beren vom entfernten Waldrande zu, und wenn er manchmal nicht bei ihr war, schlich Beren näher heran. In Wirklichkeit wusste Tinúviel längst um sein Kommen, ohne es zu zeigen, und längst war ihre Furcht verschwunden, nachdem sie im Mondlicht das sehnsüchtige Verlangen auf seinem Gesicht gesehen hatte; und sie sah auch, dass Beren

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