Das Buch der verschollenen Geschichten - Teil 1 & Teil 2
seinem Schicksal zu entgehen oder nicht, behandelt, und es ist bezeichnend, dass er in diesem entscheidenden Augenblick den Namen Turambar annimmt, wogegen er dies in der späteren Geschichte beim Zusammentreffen mit den Waldmenschen von Brethil viel weniger spektakulär tut. Hier wird auch der moralische Aspekt betont: Túrin hätte Failivrin nicht im Stich lassen dürfen, »um deren gefährliche Lage er wusste« – legt dies nicht die Vermutung nahe, dass sich, selbst unter dem Bann des Drachen, in Túrin eine Schwäche (»die Verblendung«, S. 132) verbarg, die der Drache sich zunutze machte? So wie die Geschichte im Silmarillion erzählt wird, scheint die moralische Frage unangebracht: Túrin stand einem Widersacher gegenüber, der für seinen Geist und Willen zu mächtig war.
Es gibt eine bemerkenswerte Stelle, wo es heißt, Selbstmord sei Sünde, da er den Selbstmörder aller Hoffnung beraube, »dass sein Geist jemals aus dem dunklen Schattenreich Mandos’ befreit werden oder über die lieblichen Pfade von Valinor wandeln würde«. Dies scheint mit der merkwürdigen Stelle in der Geschichte Die Ankunft der Valar und die Gründung Valinors übereinzustimmen, in der von den Schicksalen der Menschen die Rede ist (vgl. Teil 1, S. 108f.).
Sonderbar ist, dass in der frühen Geschichte der Schatz von den Orks aus den Höhlen geschleppt wurde und dort liegenblieb (er lag »vor den Höhlen oberhalb des Flusses«), während der Drache höchst untypisch im Freien davor einschlief. Im Silmarillion (S. 239) dagegen »fegte er alle Schätze und Reichtümer Felagunds auf einen Haufen und legte sich darauf in der innersten Halle, um eine Weile zu ruhen«.
Túrins Rückkehr nach Hithlum (S. 140–146)
Die Struktur dieses Abschnitts wurde später nicht wesentlich verändert, wenn es auch einige wichtige Unterschiede gibt.
Aus der Geschichte von Turambar lässt sich ersehen, dass Mavwins Haus nicht in der Nähe jener Berge oder Hügel stand, welche Hithlum vom Jenseitsland trennten: Túrin wurde gesagt, dass Orks niemals so tief nach Hisilóme eindringen würden; in der Narn (S. 96) heißt es dagegen: »Húrins Haus befand sich im Südosten Dor-lómins in der Nähe der Berge. Der Ursprung der Nen Lalaith war eineQuelle unterhalb des Amon Darthir, über dessen Rücken ein steiler Pass führte.« Der Umzug Mavwins in Hithlum von einem Haus zu einem zweiten, die Túrin nacheinander aufsucht, wurde später zum Vorteil der Geschichte aufgegeben. Hier kommt Túrin im Spätsommer zu seiner alten Heimat zurück, wogegen im Silmarillion der Fall von Nargothrond im Spätherbst stattfindet (»ein starker Wind blies die Blätter von den Bäumen, als sie dahineilten, denn der Herbst wich einem strengen Winter«, S. 237), und Túrin kam im Grausamen Winter nach Dor-lómin (S. 240).
Die Namen Brodda und Airin (später Aerin) blieben erhalten; doch hier ist Brodda der Herr des Landes, und Airin spielt in der Szene in der Halle eine wichtigere Rolle als später, indem sie mit Nachdruck und Klugheit Recht spricht. Hier hat sie Brodda nicht gegen ihren Willen geheiratet, doch ihr Leben mit ihm wird als schlimm bezeichnet; doch natürlich ist die Situation in den späteren Erzählungen weitaus klarer – die Menschen von Hithlum waren »Ostlinge«, »Eindringlinge«, feindlich gegen die Elben und die Nachkommen des Hauses Hador gesonnen, wogegen in der frühen Geschichte nicht differenziert wird und Brodda gar ein Mann ist, dem Mavwin vertraut. Das Motiv für die üble Behandlung Mavwins durch Brodda ist bereits vorhanden, doch nur in dem Maße, dass er nach ihrer Abreise ihre Güter veruntreut; in der Narn scheint aus Aerins Worten zu Túrin hervorzugehen, dass Morwen nach Doriath aufbrach, weil Brodda und andere sie unterdrückten (S. 150). In der kurzen Schilderung im Silmarillion (S. 240) wird nicht deutlich, dass besonders Brodda Túrins Hass verdiente.
Túrins Verhalten in der Halle ist in der frühen Geschichte weniger plausibel: Jemand, den er traf, hat ihm die wahre Geschichte erzählt, er betritt die Halle, um an Brodda wegen des Diebstahls von Mavwins Gütern Rache zu nehmen, und er tut es kurz und bündig. In der Narn, wo erzählt wird, wie ihm erst zum Schluss aufgeht, dass die Worte Aerins (die in der Halle anwesend ist) ihn irreführen sollten, ist sein Zorn leidenschaftlicher, rasend und bitter und in der Tat begreiflicher; und die moralische Bemerkung, Túrins Tat sei »gewalttätig und wider das Gesetz«, fehlt in der Narn
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