Das Buch der verschollenen Geschichten - Teil 1 & Teil 2
Mavwin, wenn Nienóri älter gewesen wäre, ihren Stolz vergessen und die Berge überquert haben würde, wären diese nicht unpassierbar gewesen. Damit ist vielleicht gemeint, dass sie die Reise früher angetreten hätte (während Túrin noch in Artanor war), als sie es in Wirklichkeit tat (als die Wege eine Zeitlang besser wurden, Túrin jedoch fort war).
Der Knabe Túrin wird in der Narn in allen Einzelheiten übereinstimmend beschrieben (S. 107f.):
»Auch in anderen Belangen schien ihm das Glück nicht günstig, so dass seine Pläne oft scheiterten und er nicht erreichte, was er sich vorgenommen hatte. Auch Freundschaft schloss er nicht leicht, denn er war nicht heiter, lachte selten, und ein Schatten lag über seiner Jugend.«
(Es ist anzumerken, dass in der Geschichte hinzugefügt wird, dass er »ohnehin nur wenig auf die Worte achtete, die man ihm sagte«.) Dass die Botschaften seiner Mutter ausbleiben, wird auf dieselbe Weise begründet, durch eine strengere Überwachung der Berge nämlich (Narn, S. 109).
Die Geschichte von Túrin und Saeros, wie sie im Silmarillion und ausführlicher in der Narn erzählt wird, geht zwar im Wesentlichen auf die Geschichte von Turambar zurück, doch es gibt auch bemerkenswerte Unterschiede. Deren wichtigster besteht darin, dass in der ersten Fassung der Geschichte Túrins Peiniger ganz offen durch den auf ihn geschleuderten Trinkbecher getötet wird. Hier fehlen natürlich völlig die späteren Verwicklungen: Saeros’ heimtückischer Anschlag auf Túrin am nächsten Tag und die Jagd, die zu Saeros’ Tode führt, der Urteilsspruch über Túrin in dessen Abwesenheit und die Zeugenaussage von Nellas (Letztere nur in der Narn, S. 116f.). Auch Mablung ist nicht zugegen – in der Tat scheint klar, dass dieser zuerst am Ende der Geschichte von Tinúviel erschien (S. 96). Einige Detailsblieben erhalten (wie der Kamm, den Orgof/ Saeros Túrin im Spott anbot, Narn, S. 112), andere wurden verändert oder entfielen (z.B., dass es sich um den Jahrestag der Abreise Túrins aus seiner Heimat handelte – wenngleich die genannten zwölf Jahre mit der späteren Geschichte übereinstimmen und ebenso, dass der König in der Halle anwesend war – im Gegensatz zur Schilderung der Narn, S. 111). Doch der Spott, der Túrin zum mörderischen Racheakt trieb, blieb derselbe, denn er richtete sich gegen seine Mutter; und unverändert blieb auch, dass Túrin zerzaust und schäbig gekleidet in die Halle kam und dass er deswegen von seinem Feind verhöhnt wurde. Orgof ist von Saeros nicht sehr verschieden, wenn auch weniger deutlich gezeichnet. Er stand in der Gunst des Königs, war stolz und auf Túrin neidisch; in der späteren Geschichte ist er ein Nandor-Elb, während er hier ein Ilkorin mit gnomischem Einschlag ist (zu den Gnomen in Artanor vgl. S. 104), doch zweifellos ist seine besondere Herkunft Teil der »Überlieferung«. In der alten Geschichte ist er ein ausgesprochener Geck und Narr, ohne jenen Hass gegen Túrin, der ihm in der Narn (S. 108) zugeschrieben wird.
Wenn auch weit schlichter erzählt, ist das wesentliche Element von Túrins Unwissenheit (dass ihm verziehen worden war) von Beginn an vorhanden. Die Geschichte bietet eine Erklärung (die später fehlt), warum Túrin, nachdem er Artanor verlassen hatte, nicht nach Hithlum zurückkehrte; vgl. Narn, S. 121: »nach Dor-lómin wagte er sich nicht, denn es war völlig eingeschlossen, und ein einzelner Mann konnte in diesen Zeiten, wie er glaubte, nicht darauf hoffen, über die Pässe des Schattengebirges zu gelangen«.
Túrins Heldenmut im Kampf gegen die Orks erhält in dieser Geschichte eine größere oder gar einzigartige Bedeutung (»und viele Jahre hielt er den Zorn Melkos von ihnen fern«), besonders da Beleg, sein Waffenbruder in späteren Versionen, hier nicht erwähnt wird; überdies scheint hier (vgl. S. 101) die Macht der Königin, einen Einmarsch zu verhindern, geringer als in den späteren Fassungen.
Túrin und Beleg (S. 121–129)
Jener Teil der Túrin-Geschichte, der auf seine Tage in Artanor/Doriath folgte, wurde später stark umgeformt (»Túrin bei den Geächteten«), und in der Tat hat mein Vater diesen Teil der Geschichte nie zueinem Abschluss gebracht. In der ältesten Version wird die Handlung ungleich rascher vorangetrieben. Beleg schließt sich Túrins Schar an, und die Auflösung der Schar und die Gefangennahme Túrins durch die Orks folgen fast unmittelbar darauf. »Geächtete« werden sie nicht genannt,
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