Das Buch der verschollenen Geschichten - Teil 1 & Teil 2
Ilúvatars Füßen in den tiefsten Tiefen der Zeit, aus der die Schöpfung der Welt hervorging, und ihr Treiben und alles, was dort kreuchte und fleuchte unter göttlicher Herrschaft. 21
Tuor wurde nun wegen seiner Kenntnis und seiner Meisterschaft in jedweder Kunde und Kunst und wegen seines großen Mutes an Leib und Seele ein Trost und eine Stütze des Königs, der keinen Sohn hatte; und das Volk von Gondolin liebte ihn. Einmal nun gab der König seinen geschicktesten Waffenschmieden den Auftrag, als großes Geschenk für Tuor eine Rüstung zu fertigen, und diese war aus Gnomen-Stahl gemacht und mit Silber überzogen; sein Helm jedoch hatte als Schmuck auf jeder Seite einen Schwanenflügel aus Metall und Edelsteinen, und auch sein Schild trug einen geschmiedeten Schwanenflügel; doch anstatt eines Schwertes trug Tuor eine Axt, und diese nannte er Dramborleg in der Sprache derGondothlim, weil ihr Hieb jeden zu Boden streckte und ihre Schneide jeden Panzer zerhieb.
Auf den südlichen Mauern wurde ihm ein Haus erbaut, denn er liebte die freien Lüfte, und die enge Nachbarschaft anderer Häuser war ihm nicht angenehm. Dort stand er oft zu seinem Vergnügen auf der Brustwehr, wenn die Sonne aufging; und das Volk jubelte, wenn es sah, wie sich das neue Licht in den Flügeln seines Helms fing – und viele murrten und wären gleich ihm gern in den Kampf gegen die Orks gezogen, waren doch Tuors und Turgons Worte vor dem Palast vielen bekannt; aus Ehrerbietung vor Turgon sprachen sie jedoch nicht weiter davon, und zu dieser Zeit schien der Gedanke an Ulmos Worte Tuors Herz ferngerückt und verblasst zu sein.
Nun kamen Tage, da Tuor viele Jahre bei den Gondothlim gewohnt hatte. Lange hatte er um seine Liebe zu der Tochter des Königs gewusst und sie gehegt, und nun war sein Herz ganz davon erfüllt. Auch Idril liebte Tuor sehr, und die Fäden ihres Schicksals waren mit den seinen verflochten seit jenem Tag, da sie ihn zum ersten Mal von einem hohen Fenster erblickte, als er, ein reisemüder Bittsteller, vor dem Palast des Königs stand. Wenig Grund hatte Turgon, sich ihrer Liebe zu widersetzen, weil er in Tuor einen Verwandten sah, der Trost und große Hoffnung versprach. So kam es zur ersten Vermählung eines Kindes der Menschen mit einer Tochter aus Elbenheim, doch Tuor war nicht der letzte. Vielen war weniger Glück beschieden als Tuor und Idril, und vielen widerfuhr am Ende großes Leid. Doch groß war die Fröhlichkeit jener Tage, als Idril und Tuor vor allem Volk vermählt wurden auf Gar Ainion, dem Platz der Götter, nahe dem Palast des Königs. Ein Tag der Freude war diese Heirat für die Stadt Gondolin, und am allerglücklichsten waren Tuor und Idril. 22 Späterwohnten sie in Freuden in dem Haus auf den Mauern, das nach Süden über Tumladin blickte, und jedermann in der Stadt hatte sein Wohlgefallen, ausgenommen Meglin. Dieser Gnom nun entstammte einem alten Hause, obgleich seine Sippe zu der Zeit kleiner war als andere, doch er war durch seine Mutter Isfin, welche die Schwester des Königs war, dessen Neffe; doch die Geschichte von Isfin und Eol soll hier nicht erzählt werden. 23
Das Zeichen Meglins war nun ein finsterer Maulwurf, und er war angesehen unter Steinbrechern und der Oberste der Erzschürfer. Er war weniger schön als die meisten seines ansehnlichen Volks, dunkelhäutig und von nicht sehr liebenswürdiger Art, so dass er wenig Liebe erweckte und man sich zuflüsterte, er habe Orkblut in seinen Adern, doch ich weiß nicht, ob dies die Wahrheit war. Er hatte nun mehrmals den König um die Hand Idrils gebeten, doch Turgon hatte, da er Idril sehr unwillig fand, ebenso oft abgelehnt, zumal ihm schien, dass Meglins Antrag ebenso der Begierde entsprang, als Mächtiger neben dem königlichen Thron zu stehen, wie der Liebe zu diesem wunderschönen Mädchen. Idril war in der Tat schön von Angesicht und mutig dazu; und das Volk nannte sie Idril Silberfuß 21 , weil sie, mochte sie auch eine Königstochter sein, stets barfüßig und barhäuptig ging, ausgenommen bei Festen zu Ehren der Ainur; und Meglin erfüllte zehrende Wut, weil Tuor ihn ausgestochen hatte.
In diesen Tagen geschah es, dass der Wunsch der Valar und die Hoffnung der Eldalie sich am Ende erfüllten, denn in großer Liebe gebar Idril Tuor einen Sohn, und er wurde Earendel genannt. Dieser Name nun ist bei Elben und Menschen aufmancherlei Weise gedeutet worden, doch vielleicht ist er aus einer geheimen Sprache der Gondothlim 24 gebildet, die
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