Das Buch der verschollenen Geschichten - Teil 1 & Teil 2
tötet, ob rasch oder allmählich, so werden euch wichtige Kenntnisse verlorengehen über die Stadt Gondolin, die euer Herr mit Freude hören würde.‹ Da ließen die Orks ihreHände von ihm und sagten, sie würden ihm das Leben schenken, wenn die Dinge, die er ihnen eröffne, dessen wert schienen; und Meglin erzählte ihnen alles über die Beschaffenheit der Ebene und der Stadt, von ihren Mauern, ihrer Dicke und Höhe und über die Festigkeit der Tore; er sprach von dem Heer bewaffneter Männer, das Turgon befehligte, von dem unermesslichen Vorrat an Waffen, der zu ihrer Ausrüstung angesammelt worden war, von den Kriegsmaschinen und dem giftigen Feuer.
Da wurden die Orks wütend, und nachdem sie diese Dinge gehört hatten, wollten sie ihn gleichwohl auf der Stelle töten als einen, der unverschämt die Macht dieses erbärmlichen Volkes größer machte, um die große Macht und Gewalt Melkos zu verhöhnen; doch Meglin klammerte sich an einen Strohhalm und sagte: ›Könnt ihr euch nicht vorstellen, dass ihr euren Meister mehr erfreuen würdet, wenn ihr ihm einen so hochgeborenen Gefangenen zu Füßen legt, damit er die Nachrichten von diesem selbst höre und ihre Wahrheit selbst beurteile?‹
Dies nun erschien den Orks nicht übel, und sie kehrten von den Bergen um Gondolin zu den Eisenbergen und den düsteren Hallen Melkos zurück; Meglin schleppten sie mit sich, und nun war er in bitterer Furcht. Doch als er vor dem schwarzen Thron Melkos kniete, entsetzt über die Grausigkeit der Gestalten, die ihn umgaben, über die Wölfe, die unter dem Sessel lagen, und die Nattern, die sich um seine Beine wanden, forderte ihn Melko auf zu sprechen. Da wiederholte er, was er gesagt hatte, und Melko lauschte und richtete schöne Worte an ihn, so dass die Unverschämtheit in großem Maße in Meglins Herz zurückkehrte.
Am Ende all dessen stand nun, dass Melko, unterstützt von der Verschlagenheit Meglins, einen Plan zur Vernichtung Gondolins ersann. Zur Belohnung dafür sollte Meglin einmächtiger Hauptmann der Orks werden – in seinem Herzen dachte Melko freilich nicht daran, sein Versprechen zu erfüllen –, Tuor und Earendel aber sollte Melko verbrennen und Idril Meglin ausliefern, und solche Versprechen wollte dieser Böse gern einlösen. Sollte Meglin jedoch Verrat üben, drohte ihm Melko die Folter der Balrogs an. Diese waren nun die Dämonen mit Flammenpeitschen und stählernen Klauen, von denen er jene Noldoli martern ließ, die es wagten, sich ihm zu widersetzen – und die Eldar haben ihnen den Namen Malkarauki gegeben. Doch Meglin hatte Melko anvertraut, dass alle Heere der Orks und Balrogs in ihrer Wildheit weder durch Angriff noch durch Belagerung jemals hoffen konnten, die Mauern und Tore Gondolins zu bezwingen, selbst wenn es ihnen gelang, auf die umliegende Ebene vorzudringen. Deshalb riet er Melko, durch schwarze Zauberei eine Hilfe für seine Krieger bei ihrem Unternehmen zu schaffen. Aus dem Überfluss an Metallen, riet er ihm, mit seiner Gewalt über das Feuer Untiere zu machen, Schlangen und Drachen von unwiderstehlicher Kraft, welche über die Umzingelnden Berge kriechen und der Ebene und der schönen Stadt leckende Flammen und Tod bringen sollten.
Darauf gebot Melko Meglin heimzukehren, damit seine Abwesenheit keinen Verdacht errege; doch Melko wob um ihn den Zauberbann der abgrundtiefen Furcht, und danach fand Meglin in seinem Herzen weder Freude noch Ruhe. Gleichwohl gab er sich den Anschein der Zufriedenheit und Heiterkeit, so dass man sagte: ›Meglin ist sanfter geworden‹, und er wurde mit weniger Missfallen betrachtet, doch Idril fürchtete ihn umso mehr. Nun sagte Meglin: ›Ich habe viel gearbeitet, und ich möchte mich ausruhen und teilnehmen an Tanz und Gesang und den Festen des Volkes‹, und er ging nicht mehr in die Berge, um Steine zu brechen oder Erz zu schürfen. Doch inWahrheit wollte er im Vergnügen seine Furcht und Unruhe ertränken. Eine Angst hatte von ihm Besitz ergriffen, dass Melko immer in seiner Nähe sei, und das vollbrachte der Zauberbann; und nie wieder wagte er, die Gruben aufzusuchen, auf dass er den Orks nicht begegne und noch einmal in die entsetzlichen Hallen der Finsternis befohlen werde.
So ziehen die Jahre dahin, und angestachelt von Idril, setzt Tuor sein geheimes Graben immerzu fort; Turgon aber, der sieht, dass die Belagerung durch die Späher sich abgeschwächt hat, lebt behaglicher und mit geringerer Furcht. Doch für Melko sind diese Jahre von
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