Das Buch der verschollenen Geschichten - Teil 1 & Teil 2
wenn die Adler nichts sagten, schnitt er ihnen die Flügel ab und versuchte, sich daraus ein Flügelpaar zu seinem eigenen Gebrauch zu fertigen, doch es gelang ihm nicht.
Als nun der Kampflärm vom Pass bis zu seinem großen Horst hinaufdrang, sagte Thorndor: ›Warum sind diese üblen Wesen, diese Orks aus den Bergen, so nahe an meinen Thron geklettert; und warum schreien da unten diese Söhne der Noldoli aus Furcht vor den Kindern Melkos, dem Verfluchten? Schwingt euch in die Lüfte, o Thornhoth, mit euren stählernen Schnäbeln und Krallenschwertern!‹
Darauf erhob sich ein Rauschen wie ein mächtiger Wind zwischen den Felsen, und die Thornhoth, das Volk der Adler, fielen über die Orks her, die oberhalb des Pfades in den Fels gestiegen waren, zerfetzten ihnen ihre Gesichter und Hände und schleuderten sie auf die Steine des Thorn Sir in der Tiefe.Da waren die Gondothlim froh, und zum Beweis ihrer Freude machten sie in späteren Tagen den Adler zum Zeichen ihres Stammes, und Idril trug es, doch Earendel liebte den Schwanenflügel seines Vaters noch mehr. Ungehindert konnten nun Galdors Männer ihre Widersacher zurückdrängen, denn dieser waren nicht sehr viele, und der Angriff der Thornhoth erschreckte sie sehr; und die Schar der Verbannten setzte ihren Weg fort, obgleich Glorfindel mit der Nachhut hart zu kämpfen hatte. Die Hälfte der Schar hatte den gefährlichen Weg und den Wasserfall von Thorn Sir bereits hinter sich, als der Balrog, der unter denen war, die von hinten angriffen, mit einem mächtigen Satz auf ein paar hohe Felsen sprang, die auf der linken Seite des Pfades am Rand des Abgrunds standen, und von dort flog er mit einem wütenden Sprung an Glorfindels Männern vorbei, landete vor den Frauen und Kranken und peitschte mit seinem Flammenschwanz. Da sprang Glorfindel mit einem Satz auf ihn los, und seine goldene Rüstung schimmerte eigenartig im Mondlicht, und er hieb auf den Dämon ein, so dass er auf einen zweiten Felsen sprang, gefolgt von Glorfindel. Nun begann über ihnen auf dem hohen Felsen ein Zweikampf auf Leben und Tod; und die Noldoli in der Mitte, von hinten geschoben und von vorn gehemmt, wurden so dicht zusammengedrängt, dass fast alle zuschauen konnten, doch der Kampf war vorüber, ehe Glorfindels Männer ihm zur Seite springen konnten. Glorfindels Hitzigkeit trieb den Balrog in die Enge, und seine Rüstung schützte ihn vor dessen Schwanz und Krallen. Jetzt landete er einen schweren Schlag auf der eisernen Haube des Untiers, jetzt hatte er den Peitschenarm am Ellenbogen abgetrennt. Da warf sich der Balrog in Schmerzensqual und Furcht mit seinem ganzen Leib auf Glorfindel, dessen Schwert hervorschnellte wie die Zunge einer Schlange; doch er traf nur die Schulter und wurde umklammert, undschwankend drohten sie von der Spitze der Klippe zu stürzen. Da packte Glorfindels Linke einen Dolch, und diesen stieß er nach oben, so dass er, nahe an Glorfindels Gesicht, in den Bauch des Balrogs drang (denn dieser Dämon war doppelt so groß wie Glorfindel); und das Untier schrie und stürzte rücklings vom Felsen, und im Fallen ergriff es Glorfindels gelbe Locken unter dem Helm, und alle beide fielen sie in den Abgrund.
Dies war nun ein Augenblick größten Schmerzes, denn Glorfindel gehörte die innigste Liebe – und hört! das Geräusch ihres Aufpralls widerhallte von den Bergen, und der Abgrund von Thorn Sir klang mit. Beim Todesschrei des Balrogs gerieten die Orks an der Spitze und am Ende des Zuges ins Wanken, und sie wurden erschlagen oder flohen weit fort, und Thorndor selbst, ein riesiger Vogel, schwebte in den Abgrund hinunter und brachte Glorfindels Leichnam herauf; doch der Balrog lag unten, und viele Tage lang waren weit unten in Tumladin die Wasser des Thorn Sir schwarz gefärbt.
Noch immer sagen die Eldar, wenn sie jemanden mit weit unterlegenen Kräften tapfer gegen einen Ausbruch des Bösen kämpfen sehen: ›Wehe! Wie Glorfindel und der Balrog‹, und noch immer trauern ihre Herzen um diesen edlen Noldo. Wegen dieser Liebe und trotz ihrer Eile und der Furcht vor dem Eintreffen neuer Feinde ließ Tuor ein großes Steinmal über Glorfindel errichten, auf der anderen Seite des gefährlichen Pfades, nahe am Abgrund des Adler-Flusses, und bis jetzt hat Thorndor nicht zugelassen, dass ihm ein Schaden zugefügt wurde; vielmehr haben gelbe Blumen sich dort angesiedelt und umblühen dort nun immer den Grabhügel in diesen unfreundlichen Gefilden; doch als er erbaut wurde, weinte
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