Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Buch der verschollenen Geschichten - Teil 1 & Teil 2

Das Buch der verschollenen Geschichten - Teil 1 & Teil 2

Titel: Das Buch der verschollenen Geschichten - Teil 1 & Teil 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J.R.R. Tolkien
Vom Netzwerk:
und dazu bleibt uns nicht viel Zeit, weil der Sommer bevorsteht.‹ 34 Darüber entstand Uneinigkeit, denn einige sagten, es sei eine Torheit, zum Cristhorn zu gehen, wie Tuor es plante. ›Die Sonne‹, sagten sie, ›wird längst aufgegangen sein, bevor wir die Vorberge erreichen, und die Drachen und Dämonen werden uns in der Ebene zur Strecke bringen. Lasst uns zum Bad Uthwen ziehen, zum Weg der Flucht, denn diese Strecke ist nur halb so lang, und unsere Erschöpften und Verwundeten können hoffen, so weit zu kommen, wenn nicht weiter.‹
    Doch Idril sprach dagegen und überzeugte die Fürsten, dass es nicht gut sei, auf den Zauber dieses Weges zu vertrauen, der ihn einst vor Entdeckung geschützt habe: ›Denn welcher Zauber besteht wohl weiter, wenn Gondolin gefallen ist?‹ Trotzdem trennte sich eine große Schar von Männern und Frauen von Tuor, zog nach Bad Uthwen und lief dort in den Rachen eines Ungeheuers, das Melko voll Tücke auf Meglins Rat hin vor den Ausgang gesetzt hatte, dass niemand hindurchkonnte. Doch die anderen, angeführt von einem gewissen LegolasGrünblatt aus dem Hause des Baums, der in der Nacht sehen und sich bei Tag und Nacht in der Ebene zurechtfinden konnte, zogen ungeachtet ihrer Müdigkeit mit großer Schnelligkeit durch das Tal und machten erst nach einem langen Marsch halt. Da war die ganze Erde in das graue Licht jener trüben Morgendämmerung getaucht, die nicht mehr auf die Schönheit Gondolins blickte; doch die Ebene war voller Nebel – und das war ein Wunder, denn nie zuvor waren Dunst oder Nebel dorthin gekommen, und dies hatte vielleicht mit dem bösen Schicksal der Quelle des Königs zu schaffen. Sie brachen wieder auf und zogen, im Nebel verborgen, im Morgenlicht sicher dahin, bis sie schließlich zu weit entfernt waren, als dass sie jemand von dem Hügel oder den zerstörten Mauern in den Nebelschwaden hätte erspähen können.
    Die Berge, oder besser ihre niedrigsten Ausläufer, waren nun auf dieser Seite etwas weniger als sieben Wegstunden von Gondolin entfernt, und der Aufstieg zum Cristhorn, was Adlerspalte bedeutet, vom Fuß der Berge erforderte zwei Wegstunden, denn die Adlerspalte lag sehr hoch; darum mussten sie nun in den Ausläufern und Vorbergen noch mehr als zwei Wegstunden hinter sich bringen, und sie waren sehr müde. 35 Inzwischen stand die volle Sonne über einem Grat in den südlichen Bergen, und sie war sehr groß und rot; und in ihrer Nähe lichteten sich die Nebel, doch die Ruinen von Gondolin waren wie von einer Wolke gänzlich verhüllt. Als die Sicht sich klärte, erblickten sie, nur wenig entfernt, eine Gruppe von Männern, die zu Fuß flohen, und diese wurden von einem sonderbaren Reitertrupp verfolgt, denn Orks waren es, die auf großen Wölfen ritten und, wie sie zu erkennen meinten, Speere schwangen. Da rief Tuor: ›Seht! Dort ist Earendel, mein Sohn! Seht doch! Sein Gesicht leuchtet wie ein Stern in der Einöde, 36 und meine Männer vom Flügel sind bei ihm, und sie sind in größterNot.‹ Sogleich wählte er fünfzig Männer aus, die am wenigsten erschöpft waren, und indem er die Hauptstreitmacht folgen ließ, zog er mit diesem Trupp, so rasch es ihre letzten Kräfte erlaubten, über die Ebene. Als sie nun auf Rufweite herangekommen waren, rief Tuor den Männern um Earendel zu, nicht weiterzufliehen, sondern stehenzubleiben, denn die Wolfreiter zersprengten sie und töten sie einen nach dem anderen. Und Hendor, einer von Idrils Hausknechten, trug das Kind auf seinen Schultern, und er schien mit seiner Last zurückzubleiben. Dann standen sie Rücken an Rücken und Hendor und Earendel in der Mitte; doch Tuor und seine Männer kamen rasch heran, obgleich sie alle außer Atem waren.
    Es waren zwanzig Wolfreiter, und von den Männern um Earendel waren nur noch sechs am Leben; darum ließ Tuor seine Männer sichelförmig in einer Reihe ausschwärmen und hoffte, die Reiter so einzuschließen, dass keiner entkommen, das feindliche Hauptheer benachrichtigen und Verderben über die Flüchtlinge bringen könne. Damit hatte er Erfolg, denn nur zwei entflohen, und da sie überdies verwundet und ihrer Reittiere verlustig waren, brachten sie die Nachricht zu spät zur Stadt.
    Earendel war glücklich, Tuor wiederzusehen, und Tuor freute sich über die Maßen über sein Kind; doch Earendel sagte: ›Ich bin durstig, Vater, denn ich bin weit gelaufen – und Hendor hätte mich nicht zu tragen brauchen.‹ Sein Vater sagte nichts dazu, denn er hatte kein

Weitere Kostenlose Bücher