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Das Buch der verschollenen Geschichten - Teil 1 & Teil 2

Das Buch der verschollenen Geschichten - Teil 1 & Teil 2

Titel: Das Buch der verschollenen Geschichten - Teil 1 & Teil 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J.R.R. Tolkien
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so viel mit Sicherheit hervorzugehen, dass er zum Astronomisch-Mythischen gehörte und der Name eines Sterns oder einer Sternengruppe war. Nach meiner Auffassung scheinen die altenglischen Belege schlicht zu besagen, dass es ein Stern war, der (jedenfalls in der englischen Tradition) als Vorbote der Morgendämmerung auftritt: Derjenige, den wir heute Venus nennen, der Morgenstern, wie man ihn, bevor die Sonne schließlich aufgeht, hell in der Dämmerung leuchten sehen kann. So jedenfalls verstand ich es. Vor 1914 schon schrieb ich ein »Gedicht« über Earendel, der mit seinem Schiff wie mit einem hellen Funken aus dem Hafen der Sonne auslief. Ich nahm ihn in meine Mythologie auf – in der er das Urbild eines Seefahrers wurde, und endlich ein Heroldsstern, ein Hoffnungszeichen für die Menschen. Aiya Earendil Elenion Ancalima (Der Herr der Ringe, Band II, S. 380), »gegrüßt seist du, Earendil, hellster der Sterne«, ist ganz entfernt von Éalá Éarendel engla beorhtast abgeleitet. Aber der Name konnte nicht so, wie er war, übernommen werden: Er musste der sprachlichen Umgebung des Elbischen angepasst werden, während zugleich in der Sage für diese Person Platz geschaffen wurde. Weit zurückverlegt in die Geschichte des »Elbischen«, das, nach vielen Ansätzen in der Kindheit, zu der Zeit, als der Name übernommen wurde, eine feste Form anzunehmen begann, entstand daraus schließlich a) die gemeinelb. Wurzel *AYAR, ›Meer‹, hauptsächlich in Bezug auf das Große Meer des Westens, zwischen Mittelerde und Aman, dem Segensreich der Valar; und b) das Element oder der Verbalstamm (N)DIL, ›lieben, ergeben sein‹ – zur Bezeichnung der Haltung, die jemand gegen einen Menschen, eine Sache, ein Vorhaben oder eine Beschäftigung einnimmt, denen man sich um ihrer selbst willen widmet. Earendil wurde eine Gestalt in der zuerst niedergeschriebenen (1916/17) der größeren Sagenerzählungen, Gondolins Fall, der größte der Pereldar oder »Halbelben«, Sohn des Tuor aus dem berühmtesten Haus der Edain und seiner Gattin Idril, der Tochter des Königs von Gondolin.
    Gewiss sagt mein Vater hier nicht, dass Earendel von Beginn an Elemente enthielt, die, miteinander verbunden, etwa die Bedeutung »Liebhaber des Meeres« ergeben; doch auf jeden Fall ist klar, dass zur Zeit der frühesten Schriften über Earendel der Name mit dem elbischen Wort ea, ›Adler‹, in Zusammenhang gebracht wurde – vgl. S. 399 zum Namen von Earendils erstem Schiff Earáme, ›Adlerschwinge‹. In der Namensliste zum Fall von Gondolin wird es deutlich ausgesprochen: » Earendl [sic], obgleich das Wort einige Verwandtschaft mit den elbischen Wörtern ea und earen, ›Adler‹ und ›Adlerhorst‹, aufweist (wozu die Ereignisse am Christhorn passen und dass der Adler das Zeichen Idrils ist [vgl. S. 299f.]), soll, so heißt es, ein Name sein, welcher der geheimen Sprache der Gondothlim entstammt [vgl. S. 253f.].«
    Zum Schluss folgen vier Gedichte meines Vaters, in denen Earendel vorkommt. 13
    I.Éalá Éarendel Engla Beorhtast
    Es kann kaum einen Zweifel geben, dass, wie Humphrey Carpenter vermutet (S. 87), dies das erste Gedicht meines Vaters über Earendel war und dass es im September 1914 geschrieben wurde. 10 Es war jenes Gedicht, das er in seinem bereits zitierten Brief aus dem Jahre 1967 erwähnte.
    Es gibt fünf verschiedene Versionen und jede davon ist durch Verbesserungen der vorhergehenden Fassung entstanden, obgleich nur die erste Strophe völlig neu geschrieben wurde. Der Titel lautete ursprünglich »Die Fahrt von Earendel, dem Abendstern«, dazu, wie üblich, eine Übersetzung ins Altenglische (Scipfæreld Éarendeles Ǽfensteorran); in einer späteren Abschrift wurde dies verändert, und das Gedicht erhielt den obengenannten altenglischen Titel »Die letzte Reise von Earendel«. Ich lasse hier die letzte Fassung folgen, die sich nicht datieren lässt, obgleich die Handschrift zeigt, dass sie wesentlich jünger ist als die ursprüngliche Niederschrift.

    Earendel stieg auf aus der Schatten Flut
    Am stummen Meeresrand;
    Durch den Schlund der Nacht wie ein Strahl von Licht,
    Wo schroff und düster das Uferland,
    Stieß seine Barke wie ein Silberfunke
    Vom letzten und einsamen Sand;
    Mit der sonnenhellen Brise des sterbenden Tags
    Segelte er fort vom Westerland.

    Er suchte den Weg sich auf der Spur
    Des Strahls, den die Sonne nährt,
    Und trieb vorbei am nahen Stern
    In seinem schimmernden Gefährt.
    Auf der schwellenden Flut des

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