Das Buch der Zeit Band 2: Die Sieben Münzen
wollten vor lauter Wiedersehensfreude gar nicht wieder aufhören, sich kreuz und quer durch den Olivenhain zu jagen. Metaxos hielt seine Finger wie Hörner an den Kopf und raste wie eine Art Minotaurus mit gesenktem Kopf seinem begeistert kläffenden Hund hinterher.
»Willst du nicht mitspielen, Samos?«
»Ich muss nachdenken.«
Sam lehnte im Schatten an einer Außenmauer der Hütte und versuchte in die Warnung der Pythia Klarheit zu bringen. Jemand der Seinen versuchte die »Pforte der Tage« zu verschließen . . . Offenbar schienen die griechischen Götter – zumindest die, die dem Lauf der Sonne folgten und sich mit dem Ablauf der Zeit auskannten – mit der Magie des ägyptischen Hohepriesters Setni in gewisser Weise vertraut zu sein. Ägyptische Götter, griechische Götter -derselbe Kampf? Einer der Meinen, sagte Sam zu sich selbst . . . Gemeint war wahrscheinlich jemand aus seiner Zeit. Der versuchte, die »Pforte der Tage« zu verschließen ... Um ihn am Reisen durch die Zeit zu hindern? Und wie konnte jemand die »Pforte der Tage« verschließen? »Steh auf, Samos, und spiel mit uns!« »Nein, danke. Ich werde euch verlassen müssen.« Seit einer Stunde drehte und wendete Sam nun schon die Münze in seiner Tasche, doch er schaffte es nicht, sich aufzuraffen. Und wenn er eine weitere Nacht hier verbrachte ? Die Schatzkammer der Athener war ganz in der Nähe . . . Konnte man nicht davon ausgehen, dass sich dort wenigstens ein paar gelochte Münzen verbargen? Und sein Vater hatte bereits gute Vorarbeit geleistet, indem er das Schloss mit seiner Bohrmaschine aufgebrochen hatte. Wenn man es geschickt anstellte . . .
Argos sprang plötzlich wie ein Verrückter in die Hütte hinein, gefolgt von seinem Herrn, der lachend über die Schwelle stolperte. »Metaxos wird dich verschlingen, du Teufelshund!« Dann war da noch die Bemerkung des Atheners über den Fremdling: »Wir kriegen ihn, und glaub mir, er wird nie wieder jemandem etwas stehlen«. Sollte das heißen, dass sein Vater in dieser Epoche außer dem Nabel der Welt noch andere Dinge gestohlen hatte? Und dass man damit rechnen konnte, dass er bald hierher zurückkehren würde? Wer weiß, ob Sam, wenn er sich in der Nähe des Steins auf die Lauer legte, ihn nicht nach einiger Zeit vielleicht wieder auftauchen sehen würde?
»Hier, Samos, dieses Brot ist für dich.«
Metaxos kam schweißgebadet aus seiner armseligen Behausung, die Hälfte eines runden Brotlaibs unter dem Arm. Er reichte Sam eine handtellergroße Scheibe.
»Hier hast du den Nabel der Welt«, fügte er mit verschlagener Miene hinzu.
Sam verstand kein Wort.
»Wie bitte?«
»Das ist es, was ich an dem Abend versteckt habe, als die Wachen gesehen haben, dass ich die Stadt verließ. Ein schönes Brot, das meine Mutter von Delphi mir geschenkt hat, ein schönes Brot, das sie extra für mich gebacken hat! Aber man darf niemandem sagen, dass das Orakel von Delphi für Metaxos sorgt, nicht wahr? Es wäre eine Schande für sie, ich bin doch nur ein Hirte! Deshalb musste ich schweigen!«
»Die Athener hätten dich töten können!«, rief Sam erstaunt aus. »Du hast dein Leben riskiert, um deine Mutter nicht zu verraten?«
»Ich hatte recht, denn Samos ist gekommen«, antwortete Metaxos treuherzig. »Die Götter haben mich reich entschädigt! Außerdem . . .«
Er schob seine Hand in die Tasche.
»Du verdienst auch eine Belohnung. Du gibst die hier deinem Vater zurück.«
Zwischen seinen Fingern drehte er zwei kleine Metallstäbe, an deren Ende zwei Münzen mit einem Loch in der Mitte baumelten. Zwei Münzen mit Loch!
»Es sind die schönen Ohrringe, die dein Vater aus den Widderköpfen gemacht hat. Er hat sie mir geschenkt, bevor der Stein ihn verschluckt hat.«
Sam nahm sie vorsichtig in die Hand. Zwei Münzen mit einem wunderbaren Loch von genau der richtigen Größe, als Anhänger konstruiert und mit der Widderprägung von Delphi versehen! Sein Vater musste sie bei seinem Besuch in der Schatzkammer der Athener entwendet haben . . .
»Ich ... ich werde dir eine von ihnen auf jeden Fall dalassen«, stammelte Sam und versuchte, seine Gefühle unter Kontrolle zu bringen. »Du brauchst sie nur neben dem Stein aufzuheben, wenn ich fort bin.«
»So habe ich dann ein Andenken von euch beiden!«
»Ja, und ich werde ein Andenken von dir haben.«
Also blieb Sam nichts weiter, als sich endgültig zu verabschieden. Metaxos gab ihm zu verstehen, dass er ihn lieber nicht zum Sonnenstein begleiten
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