Das Buch der Zeit Band 2: Die Sieben Münzen

fünfzig!«, rief Lili aus. »Aber in der Legende ist doch nur von sieben Reisen des Imhotep die Rede. Sieben Reisen, sieben Steine, oder nicht?«
    »Das ist auch die Annahme, von der ich zunächst ausging . . . Doch vergesst nicht, dass der Gott Thot in seiner großen Weisheit dem Architekten-Arzt beibrachte, seine eigenen Steine zu behauen, um seine Recherchen zu erleichtern. Die Zahl Sieben bezieht sich demnach auf die ursprüngliche Anzahl . . . Imhoteps Wissen muss sich in der Folge auf andere Zeitreisende übertragen haben, die ihrerseits auf ihren Wegen die Steine überall auf der Welt verstreut hinterlassen haben. Ich weiß auch aus meiner eigenen Erfahrung, dass jeder Zeitreisende mindestens einmal das Bedürfnis verspürt, selbst einen Sonnenstein zu erschaffen . . . Unter der Bedingung, dass er den geeigneten Ort mit Sorgfalt auswählt und keine dunklen Absichten hegt, kann der Zauber wirken und der Stein zum Leben erweckt werden. Dagegen wird derjenige, der die magische Kraft des Thot nicht achtet und den Stein nur erschaffen will, um reich und mächtig zu werden, nie mehr als einen unnützen Steinblock hervorbringen . . .« »Gibt es auf Eurer Karte Hinweise, die das Schloss von Bran betreffen?«, fragte Sam.
    Setni brauchte nicht einmal einen Blick auf die Karte zu werfen.
    »Ich kann leider nicht behaupten, dass sie vollständig ist! Oder es eines Tages sein wird. Aber wenn du wirklich zu deinem Vater gelangen willst, solltest du noch ein paar Dinge lernen. Vor allem über die Scheiben des Re . . . Die Art, wie du sie heute benutzt, ist viel zu unsicher, denn mit nur einer Scheibe bleibt dein Ziel allein dem Zufall überlassen. Es kann sogar passieren, dass du auf den Wegen durch die Jahrhunderte vagabundierst, ohne jemals das Schloss von Bran zu erreichen!«
    »Genau deshalb brauche ich unbedingt diese sieben Münzen!«, wiederholte Sam mit großem Nachdruck.
    »Das ist richtig, obgleich die sieben Münzen einen großen Nachteil haben: Sicher, sie bringen dich in die gewünschte Zeit, doch sie bleiben in der Ausgangszeit zurück ... Du gelangst so zwar an den gewünschten Ort, verlierst jedoch die für eine Rückkehr erforderlichen Mittel! «
    »Ich habe es aber geschafft zurückzukommen«, betonte Sam, »sogar mehr als einmal.«
    »Aber das hast du allein deiner Cousine zu verdanken, mein Junge. Denn in all deiner Unwissenheit, was den Mechanismus der Zeitreisen betrifft, hattest du unerhörtes Glück: Nur sehr wenige Wesen besitzen die Fähigkeit, den Reisenden allein durch die Kraft ihrer Gedanken an seinen Ausgangspunkt zurückzuholen. Diese Fähigkeit besitzen nur wenige Frauen, es heißt, sie wird von der Mutter auf die Tochter übertragen . . . Wollte man sie auf anderem Wege erlangen, müsste man ein erfahrener Zauberer – oder eine Zauberin – sein. Diesem jungen Mädchen ist ihre Gabe angeboren.«
    Sam betrachtete seine Cousine mit ganz neuen Augen. Um den Zeitreisenden zurückzubringen, genügte es also nicht, dass jemand in der Gegenwart an ihn dachte. Dieser Jemand müsste zudem eine besondere Gabe besitzen! Eine einzigartige, unschätzbare Gabe! Und Lili hatte sie . . . Sie sind wirklich etwas ganz Besonderes, Fräulein Faulkner!, dachte er.
    Dennoch schien Lili nicht besonders stolz auf sich zu sein. Sie benahm sich gerade so, als wäre von einer anderen Person die Rede. Besser noch, sie behielt Setni fest im Blick und folgte, unbeeindruckt von irgendwelchen Komplimenten, seinen Ausführungen:
    »Dass Ihr diese Karte anlegen konntet, bedeutet doch, dass es eine Möglichkeit geben muss, das Ziel der Zeitreisen zu bestimmen, nicht wahr?«
    Setni griff erneut in seinen Lederbeutel und brachte eine Art Holzknopf zum Vorschein, den er auseinanderschraubte und ihn so in zwei Teile zerlegte.
    »Das hier hat mir die Witwe eines chinesischen Kaisers anvertraut. Auf dem Sterbebett versicherte sie mir, dass der Stein mich an den gewünschten Ort bringen würde, wenn ich in diese Kapsel eine Scheibe einlegte. Doch ein solches Gehäuse kann nur ein einziges Mal benutzt werden, und ich habe nie den Mut aufgebracht, es auszuprobieren.«
    »Ihr kennt also einen noch sichereren Weg?«
    Der Hohepriester stand auf und trat ans Fenster, um auf die Straße hinunterzusehen. »Die Legende von Djoser sagt nicht alles, ich habe Jahre gebraucht, um es zu verstehen ... In Wahrheit hatte Thot mit seinen eigenen Händen noch etwas anderes geformt, das Imhotep außer dem Sonnenstein und den Scheiben des Re helfen