Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Buch der Zeit Band 2: Die Sieben Münzen

Das Buch der Zeit Band 2: Die Sieben Münzen

Titel: Das Buch der Zeit Band 2: Die Sieben Münzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guillaume Prevost
Vom Netzwerk:
nicht, sie zurückzuhalten, sondern weinte lautlos, vor Freude und vor Traurigkeit. Erleichtert, weil er Allan endlich gefunden hatte, nach all dieser Zeit, nach all diesen Mühen und Ängsten. Voller Sorge über den erbarmungswürdigen Zustand, in dem er ihn angetroffen hatte, beinahe im Sterben liegend, aber immer noch am Leben, trotz allem immer noch am Leben ... Er weinte über ihn, über Alicia, über die Großeltern, die so weit weg waren und die er vielleicht nie wiedersehen würde. Er weinte auch über seine Mutter und den Stolz, den sie in diesem Moment sicher empfand, wenn sie aus ihrer kleinen Ecke im Paradies jetzt zu ihm hinunterblickte. Er hatte es geschafft. . .
    Dieser kurze Moment der Schwäche hatte jedoch fatale Folgen für ihn. Seine plötzliche Verletzlichkeit war dem Wachposten natürlich nicht entgangen. Er stieß Sam seinen Ellenbogen in die Rippen, sodass die Pistole in hohem Bogen durch die Luft flog, bevor der Junge auch nur daran denken konnte, den Abzug zu betätigen. Die geballte Muskelkraft des Soldaten traf ihn und warf ihn mit voller Wucht um, sodass er rücklings ins Stroh kippte. Ein erster Fausthieb sauste auf ihn nieder, und er rollte sich zusammen, um nicht zerschmettert zu werden.
    »Dir werd ich's zeigen«, brüllte der Warzen-Mann und warf sich auf ihn.
    Doch sein wütender Schrei erstarb in einem erstickten Röcheln: Aus einer dunklen Ecke der Zelle war nämlich auf einmal eine fremde Gestalt aufgetaucht. Ein weiterer Gefangener . . . Blitzschnell hatte er die Ketten, die seine Handgelenke fesselten, von hinten um den Hals des Kerkermeisters geworfen und ihn mit einem kräftigen Ruck zurückgerissen. Die Wache schlug aus wie ein wild gewordenes Pferd, doch der andere hatte ihn fest im Griff. Man hörte nur ein Japsen und ein paar gurgelnde Geräusche, dann einen langen Seufzer und schließlich nichts mehr.
    »Schweinehund!« Der Unbekannte spuckte aus, dann drehte er sich zu Sam um. »Die Schlüssel! Schnell, bevor er wieder aufwacht... Sie hängen an einem Haken unter dem Tisch.«
    Samuel nahm zuerst seine Browning wieder an sich, dann folgte er den Anweisungen des Unbekannten. Er überließ es seinem Retter, sich um die Ketten zu kümmern, und schloss endlich seinen Vater in die Arme.
    »Papa... Papa, ich bin's, Sam. Ich bin... ich bin so froh!«
    Er hatte das Gefühl, einen ausgemergelten alten Mann zu umarmen. Allan hatte mindestens die Hälfte seines Gewichts verloren.
    »Sam-Sam-Sam-Sam«, leierte er mit abwesender Miene vor sich hin.
    »Hier, trink . . .«
    Sam zog eine Art Eimer, in dem eine Kelle hing, heran und träufelte etwas Wasser auf die ausgetrockneten Lippen seines Vaters, dessen Körper mit roten Flecken übersät war. Von seiner Tunika waren nur noch schwarze, dreckverschmierte Fetzen übrig, aus denen die mageren Rippen hervorstachen. Ein Knochengerippe in Lumpen.
    »Rette mich, Sam . . . Rette mich . . .«
    »Ich bin hier, Papa, hörst du mich? Ich bin gekommen, um dich hier rauszuholen! Wir werden wieder nach Hause zurückkehren!«
    »Sam-Sam-Sam . . .«
    Der zweite Gefangene hockte sich neben sie, und nachdem er sich selbst von den Ketten befreit hatte, machte er sich daran, auch Allans Fesseln zu lösen. Er war vielleicht um die zwanzig, mit markanten, derben Gesichtszügen. Vor allem schien er wesentlich weniger durch die Gefangenschaft gezeichnet als sein Zellengenosse.
    »Gib dir keine Mühe, mein Junge. Er ist schon seit unzähligen Tagen so. Ich glaube, er hat den Verstand verloren.«
    Er reichte Sam die Hand:
    »Ich heiße Dragomir.«
    Samuel schlug ein.
    »Sind Sie schon lange hier?«, fragte er, während er sanft die Fußknöchel seines Vaters massierte, an denen sich noch der Abdruck der Eisenringe abzeichnete.
    »Drei Wochen, vielleicht auch vier. Im Kerker verliert man schnell sein Zeitgefühl. Ich war gerade mit Pfeffer und Safran vom Schwarzen Meer unterwegs, als meine Karawane angegriffen wurde. Der Herr von Bran will mich nur gegen Lösegeld freilassen . . .«
    »Der Herr von Bran . . . Meinen Sie den Woiwoden der Walachei?«
    Dragomir bleckte die Zähne und deutete so etwas wie ein Lächeln an.
    »Ja, den Pfähler. Aber du bist offenbar gut informiert, die Sache soll nämlich geheim gehalten werden, soweit ich verstanden habe.«
    »Was soll geheim bleiben?«
    »Nun ja . . . Dass der Pfähler einen Teil von Schloss Bran gekauft hat. Ihm scheint sehr viel an diesem Ort zu liegen, aber er will auf keinen Fall, dass es bekannt

Weitere Kostenlose Bücher