Das Buch des Kurfürsten: Historischer Roman (German Edition)
plötzlich … wollte? Sich vorstellte, wie
sie
die Salbe auf die geplagte Stelle aufstrich? Nie hatte sie sich über einen anderen Mann auch nur im Mindesten Gedanken gemacht. Immer nur hatte es Philipp für sie gegeben. Und nun rüttelte ein heißer Stein in ihrem Innern die Dinge durcheinander.
„Gummi Arabicum“, rissen seine Worte sie aus ihren Gedanken, „hilft gegen die Schmerzen, und wenn die Wunde anschwillt zu arg und sich rötet.“ Sie besah die Verletzung. Sie schien nicht so tief, dass sie genäht werden musste – aber sicher war sie sich da nicht. Ryss hatte das Gefäß zu sich herangezogen und trug den musartigen Brei mit den Fingern rund um den Schnitt herum auf. „Wenn nicht, ich noch immer habe Schafgarbensalbe.“
Was er da erzählte, ging über Quacksalberei hinaus. Sie erinnerte sich an sein Gebaren in der Hütte, als er dem Widerling so gekonnt die Wirkung der Kräuter erklärt hatte, die er zusammenmischte, und wie er ihr hernach im Wald fast nebenhin gesagt hatte, dass alles stimmte. Und er hatte den Schelm damit ja tatsächlich zum Schlafen gebracht.
Ryss gab ihr ein Zeichen, und sie wickelte das Tuch um seinen Oberarm.
„Habt Dank“, nickte er. „Und nun bitte geht, damit ich kann ausziehen die Hose. Nein, helft mir erst mit Hemd.“
Sie tat, was er sagte.
Dann kauerte sie sich ins Stroh neben ihr Kind und drehte ihm den Rücken zu, damit er sich Ringelblumensalbe auf das angeschwollene Knie schmieren konnte. Sie zog die Knie an, umschlang sie mit den Armen, schob die kalte Nase an die Achsel. „Wie kommt es, dass Ihr Euch so gut auskennt? Ich dachte immer, Euer Gewerk …“ Sie unterbrach sich. Wie sollte sie ausdrücken, was sie meinte, ohne ihn zu kränken? „Verzeiht“, murmelte sie, hob den Kopf und starrte geradeaus in die Dunkelheit des Bodens. „Aber es ist ja wahr“, wagte sie es doch. „Ihr zieht von Haus zu Haus, angesehen ist das nicht. Und wie sicher überall steht auch in der Kurpfalz das Hausieren unter Strafe.“
Er murmelte etwas.
„Was sagt Ihr?“
„Habe damit schon gemacht Bekanntschaft!“, zischte er.
Als er weiter nichts sagte, wiederholte sie ihre Frage. „Also fußt Euer Gewerk durchaus auf … auf …“ Es kam nicht über ihre Lippen, das Wort „Würzverfälschereien“.
„Ich bin Apotheker.“
„Was?!“
„Was ist so erstaunlich daran?“
„Ihr könntet in einer Apotheke arbeiten. Statt umherzuziehen, meine ich.“ Schon hatte sie ein Bild im Kopf, wie sie eine Apotheke betrat und von ihm bedient wurde.
„Es hat sich ergeben so“, hörte sie ihn sagen, in einem Ton, der weiteres Nachfragen ausschloss und der sie sofort in die Wirklichkeit des Schobers zurückholte.
„Ich bin fertig“, sagte er.
Und als wäre dies ihr Stichwort, begann Juli in diesem Augenblick, schmatzend zu erwachen.
Das Stroh piekste und stach sie durch den Mantel hindurch, und wahrscheinlich war es nicht nur das Stroh allein, das zwickte. Doch wenn sie ehrlich war, wollte sie jetzt nicht daran denken, wie sie und Philipp abends vor dem Schlafengehen im Bettzeug Menschenflöhe und Bettwanzen jagten.
Wie immer, wenn sie Juli stillte, hatte Ryss sich abgewandt. Tief in seinen Umhang gewickelt war er an die kleine Luke hingetreten und starrte hinaus. Dort stand er noch immer, obwohl sie ihre Kleidung längst wieder geschlossen hatte und das satte Kind in den Armen wiegte. Seit vorhin war sie befangen. Und wenn sie daran dachte, dass die Übeltäter behauptet hatten, sie und Ryss gäben sich als Ehepaar aus, und wenn sie daran dachte, dass, wenn man sie hier zusammen fände, diese Vermutung auch nahelag, konnte sie sogar spüren, wie sie rot wurde. Gewiss, dieser Heuboden war groß genug, dass sie nicht zu nahe beieinanderliegen brauchten. Und doch … Wie es wohl wäre, wenn er den Arm um sie legte?
„Der Mond ist fast voll, und die Nacht ist klar“, hörte sie ihn von der Luke her sagen.
Hedwig drehte ihm den Kopf zu, er kam heran und setzte sich in drei Schritt Entfernung neben sie ins Stroh.
„Man sieht die Sterne gut. Norden ist dort.“ Er streckte den Arm aus und wies in die Richtung. „Und wie es aussieht, werden wir nicht verfolgt.“
Hedwig erschrak. Über ihrer Träumerei hatte sie den Ernst ihrer Lage weit von sich gedrängt.
Sie sah ihn an und merkte, da war noch etwas. Obwohl er offenbar zu spüren schien, dass die Übeltäter ihnen nicht folgten, war er bedrückt.
„Ihr fragt Euch, ob die beiden tot sind, nicht wahr?“
Er
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