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Das Buch des Kurfürsten: Historischer Roman (German Edition)

Das Buch des Kurfürsten: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Buch des Kurfürsten: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marlene Klaus
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ganz heiße Wangen.“ Haltlos weinte sie. Juli stimmte mit ein. Um ihr Kind zu beruhigen, zwang sie die Verzweiflung nieder. Wischte den Rotz weg, sah zu Appel auf, las die Zuwendung in deren Gesicht.
    Appel sagte: „Der Arzt wird ihm alles verordnen, was ihn wieder auf die Beine bringt.“
    „Glaubst du das wirklich?“, fragte sie, und sie wusste, sie klang wie ein kleines Mädchen, bedürftig zu hören, dass alles gut werden würde.
    „Soll ich dir Juli abnehmen?“ Ihre Freundin streckte die Arme nach dem inzwischen laut weinenden Mädchen.
    „Ich muss sie stillen“, sagte Hedwig. Sie sah, wie Appels Augen sich weiteten, und fuhr herum.
    Philipp hob die Lider. Sofort war sie bei ihm.
    „Philipp! Liebster!“ Sie kniete nieder, berührte sein Gesicht. „Ich bin da, hörst du mich?“
    Er rieb die Lippen aufeinander, öffnete sie, versuchte zu sprechen. Erkannte er sie?
    „Hed…wig?“, hauchte er.
    Tränen stürzten ihr die Wangen hinab. So schnell sie es mit ihren zitternden Fingern vermochte, löste sie den Knoten des Tragetuchs, murmelte dabei beruhigende Worte, die indes nichts ausrichteten. Juli schrie. Doch unter all ihren Tränen bemerkte Hedwig, dass auch dies zwei Seiten hatte. Sie las es in Philipps Miene. So laut, schlimm und fordernd das Geschrei ihrer Tochter auch war, es brachte ihren Mann ins Leben zurück. Sie ließ das Tragetuch achtlos zu Boden gleiten, nahm Juli hoch, die daraufhin etwas ruhiger wurde und erwartungsvoll gluckste. Dann drehte sie sie mit dem Gesicht zu Philipp und ließ sie auf der Bettkante schräg in ihren Arm lehnen. Juli wurde still und schaute. „Wir sind hier“, flüsterte Hedwig Philipp zu.
    Der schloss die Augen. Und durch den feuchten Schleier hindurch gewahrte Hedwig, wie aus seinem Augenwinkel ein Tropfen quoll, der sich mit einem kleinen Zittern in ein strichdünnes Rinnsal wandelte, das die Schläfe hinunterrann.
    Sie verharrte so, bis ihr die Knie schmerzten – und Juli erneut zu plärren begann. Da erhob sie sich, warf einen Blick auf Philipp, der still und reglos lag. Appel stand nicht mehr unter der Tür, die angelehnt war. Hedwig hatte es nicht gemerkt. Sie lehnte sich ans Bett und begann, Juli zu stillen.
    Einmal mehr war sie selbst auch eingedöst, als ihr Kind satt und zufrieden in ihren Armen schlummerte. Und wie so oft schon schrak Hedwig auch jetzt auf, da es Geräusche gab. Sofort erinnerte sie, wo sie war. Ein Blick auf das schlafende Kind in ihrem Arm, einer zum reglosen Mann im Bett. Rasch erhob sie sich, zog Hemd, Wams und Mantel zurecht. Sie hörte die Tür zu Kilians Wohnung quietschen, dann Männerstimmen, dunkel, dazwischen die hellere des jungen Mannes, der mit ihnen gekommen war. Und dann öffnete sich die Tür zu Kilians Schlafkammer, Kilian selbst kam herein, dicht gefolgt von …
    „Vater!“ Mit zwei Schritten war Hedwig bei ihm. Hinter ihm Mutter! Wer da noch alles war, sah sie vor lauter Tränen nicht mehr. Ihr Vater presste sie an sich, umschlang sie mit seinen langen weiten Vaterarmen, sie roch die Kälte in seinem Mantel, seinen Geruch nach Wolle, Heimat und – Vater. Mutter trat neben sie und umfing sie alle zusammen. Sie lösten sich voneinander, und ihr Vater hielt sie auf Armeslänge von sich, sah sie an, tatschte ihr mit beiden kalten Händen über die Wangen, berührte sie, wieder und wieder, als müsse er sich vergewissern, dass sie aus Fleisch und Blut war.
    „Wir wissen alles“, nickte er dabei. „Kilian traf uns in der Kanzlei, erzählte, was vorfiel. Entführt, Philipp erpresst!“ Mit Mühe brachte er die Worte hervor. Schüttelte gramvoll den Kopf. Jemand hastete an ihnen vorbei zum Bett, sie hörte ein Aufschluchzen von dort, drehte sich um, ihr Blick streifte den Michels, der danebengestanden hatte – und nun in ihre Arme stürzte. Fest presste sie den kleinen Bruder an sich. Als sie ihn losließ, wischte er sich verstohlen über die Augen.
    Sie sah, wer dort am Bett kniete: Philipps Mutter. Und deren Ehemann, Zentgraf Zahn, stand groß daneben und hatte die Hand schützend und beruhigend auf ihre Schulter gelegt.
    Auch Botenmeister Biber war in die Stube gekommen, stand am Bett. In der Kammer nebenan hielten sich ebenfalls Leute auf, Hedwig sah die blaugelben Farben der Pfalz. Appels Locken gewahrte sie, offenbar hatte sie ein Licht entzündet, Schatten flackerten.
    Hedwig lehnte sich in Mutters Umarmung. „Mein armes Kind!“ Ihre Mutter drückte ihr Küsse an die Schläfe. „Jetzt wird alles gut.

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