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Das Buch des Kurfürsten: Historischer Roman (German Edition)

Das Buch des Kurfürsten: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Buch des Kurfürsten: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marlene Klaus
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ihrer Leibesmitte, und sie verabscheute den Rothaarigen dafür, dass er ihr dies angetan hatte. Sie sah ihn vor sich, wie er benommen an der Hüttenwand lehnte, wehrlos. Das Schwert hätte sie ihm in den Leib stoßen sollen! Aber sie wusste, sie wäre niemals dazu imstande gewesen. Der Fremde hatte es in hohem Bogen in den Wald geworfen. Das Pferd hatte er zudem verscheucht. Dennoch konnte der Schreckliche ihnen nachsetzen, oder? Der andere kehrte ja sicher zurück und half ihm. Sie sah über die Schulter. Schneenacht schimmerte zwischen nässeschwarzen Baumstämmen. Keine Geräusche außer dem Knirschen ihrer beider Schritte im Schnee. Sie eilte sich, zu dem Schwarzgewandeten aufzuschließen. Der stapfte wortlos voran, kümmerte sich nicht darum, ob sie folgte oder nicht. Kannte er den Weg? Wie weit wohl mochten sie von Heidelberg entfernt sein? Konnten sie es noch in dieser Nacht dorthin schaffen? Um ein klein wenig Aufschluss zu erhalten, müsste sie das Wort an ihn richten. Sie wagte es nicht. Sie hob den Kopf und suchte im Nachthimmel jenseits der Baumkronen nach Sternen, anhand derer sie eine Richtung ausmachen könnte. Es waren keine da. Finsternis am Firmament. Sie hatte keinerlei Ahnung, wo sie sich befand. In den neun Monaten, die sie nun in Heidelberg lebte, war sie nie aus der Stadt herausgekommen. Sie kannte die Täler entlang des Neckars nicht, nicht den Königsstuhl, nicht die Hügel des Odenwaldes. Sie kannte nichts, das ihr als Wegweiser hätte dienen können. Hedwig zwang sich, ruhig zu atmen und besonnen zu sein. Sicher gab es Gehöfte, und ganz sicher konnte die Stadt nicht gar zu weit entfernt sein. Sie mussten nur herausfinden, in welcher Richtung sie lag. Sie hoffte, das geschähe bald. Sie war entsetzlich müde. Wie lange stapfte der Holzbock nun schon schweigend und zügig vor ihr her, ohne sich im Mindesten zu kümmern, ob sie überhaupt Schritt halten konnte?
    Juli wachte auf. Durch ihr Keuchen und das Knirschen ihrer Schritte im Schnee hindurch hörte Hedwig das kleine Raunzen, das stets nach dem Aufwachen kam und ein bald folgendes Gebrüll ankündigte. Inzwischen schlief ihre Tochter schon viele Nächte durch. Viele, aber nicht alle. Erst recht nicht solche, in denen sie durch die Kälte geschleppt wurde. Juli beschwerte sich entsprechend und begann zu plärren.
    Er wirbelte so abrupt zu ihr herum, dass sie fast in ihn hineingestapft wäre. Sein bleiches Gesicht hing wie ein in die Länge gezogener Mond zwischen den schwarzen Baumstämmen, die sie umgaben.
    „Das wir können nun nicht brauchen!“, schimpfte er leise.
    All die Sorge und Pein, die Wut und die Angst, sie entluden sich mit einem Mal. „Was soll ich Eurer Ansicht nach tun? Was? Sagt es mir!“, fuhr sie ihn an.
    Juli greinte.
    „Damo!“, zischte er.
    „Sie hat Hunger, sie ist müde, sie ist nass. Sie ist ein
Kind
!“
    „Nun schreit nicht auch Ihr noch derart herum!“
    Juli zeterte.
    Hedwig spürte die Tränen aufsteigen. Sie fühlte sich am Ende ihrer Kraft. Sie ließ ihre Stiefel fallen und streichelte Juli, steckte ihr den kleinen Finger in den Mund. Aber Juli drehte den Kopf zur Seite und schrie nur noch mehr. „Scht, Juli, scht“, weinte sie mit ihrer Tochter. Schließlich ließ sie sich einfach da, wo sie war, in den Schnee nieder. „Ist gut, Juli“, flüsterte sie erstickt. Sie musste sie stillen, das war die einzige Möglichkeit. Sie legte das Buch auf die Stiefel, öffnete den Mantel.
    „Was tut Ihr?“
    „Ich versuche, sie ruhig zu bekommen, was denn sonst?“, giftete sie zurück.
    „Wir müssen viel Weg bringen zwischen uns und die Hütte! Sie werden folgen uns“, antwortete er mit einem so sachlichen Ton, dass die Wut erneut in ihr emporwallte.
    „Oh, aber ich sitze mit Vergnügen mitten in der Nacht im Wald im Schnee“, schniefte sie bissig.
    „
Nefoedd Wen
!“, machte er und hob die Arme in einer Geste, die einerseits aussah, als würde er sie auffordern, sich zu erheben, andererseits so, als gebe er sich ratlos geschlagen. Er sah sich um. „Wartet!“, gebot er ihr schließlich Einhalt. „Lasst uns suchen einen geschützten Platz.“
    „Ihr hört doch, wie sie schreit. Wir können so nicht weitergehen.“
    „Dort die Bäume stehen eng.“ Er deutete nach links, bückte sich nach Buch und Stiefeln.
    Mühsam kam sie wieder auf die Beine. Wankend ging sie ihm nach. Juli schrie und schrie, sie konnte es nicht mehr hören. „Sei still, Juli, sei endlich still!“ Sie schüttelte Juli,

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