Das Buch des Kurfürsten: Historischer Roman (German Edition)
mehr …“ Sie verstummte. Er hatte sie ja mitgenommen. Er war ja fürsorglich.
„Ich kenne mich ebenso wenig aus“, zischte er. „Zudem ich sah kein Gehöft auf meiner Wanderung durch den Wald.“
Schweigen.
In versöhnlicherem Ton sagte er: „Alles, was ich weiß, ist, ich mich hielt südlich.“
Hedwig biss sich auf die Unterlippe. Vom Boden her drang die Kälte unerbittlich in sie. Sie hatte Hunger. Sie wollte heim. Sie mussten weiter. „Entschuldigt“, sagte sie betreten. „Gleich in welche Richtung, irgendwann müssen wir auf ein Gehöft oder einen Weiler treffen. Es gibt unzählige im Odenwald, das weiß ich. Die Bauern kommen von überall her zum Markt.“
Nach einem kurzen Schweigen sagte er: „Vergesst nicht, dass unsere Freunde sicher sehr gut kennen die Gegend.“
„Glaubt Ihr, sie folgen uns?“
„Das ist so gewiss, wie kommt der Tag auf die Nacht.“
„Was macht Euch so sicher?“
Wieder schwieg er. Zum Henker aber auch, was war das für ein Kauz? Entweder er goss einen Redeschwall über einem aus oder er bekam die Zähne gar nicht auseinander!
„Das, was ich tat …“
„In dem Buch? Was steht darin?“
„Ich konnte es nicht erfassen. Es scheint zu sein ein Amtsbuch mit Einträgen.“ Er warf ihr einen raschen Blick zu und sah dann wieder vor sich. „Doch wie Ihr hängt mit der Sache zusammen, will mir nicht in den Kopf.“
„Ich wurde betäubt und verschleppt, mehr weiß ich nicht.“
„Was widerfuhr dem Toten?“
„Der mit den roten Haaren stach ihn nieder.“
Er drehte ihr so ruckartig den Kopf zu, dass sie von der Heftigkeit erschrak. „Was?! Und Ihr habt gesehen das?“
„Ja.“
„
Damo
! Dann unsere Lage ist noch misslicher, als ich dachte! Glaubt Ihr, sie lassen laufen die Zeugin eines Mordes? Zusammen mit einem, der weiß von ihrem Tun?“
Die Furcht krallte sich in ihr fest. „Oh Herr!“, flüsterte sie erstickt.
Ihre Gedanken sprangen hin und her. Wie ein Ball, den sich Kinder zuwarfen. „Was habt Ihr diesem Teufel in den Trank getan?“, wollte sie plötzlich wissen.
Er lachte trocken auf. „Wenn er befolgt meine Anweisung, er schläft drei Wochen. Melisse, Wurzel von Baldrian, Saft von Bilsenkraut. Schlafmohn. Der zügelt den Trieb.“
„Aber …?“
„Ich habe ihm erzählt viel Unsinn. Bernstein vielleicht hilft bei Entzündungen, aber um zu stärken die Manneskraft, er ist nicht bekannt. Ich hätte es auch machen können einfach. Ich habe eine fertige Mischung für einen Aufguss wider die brennende Blase. Aber er ja wollte das Spectaculum. Er hätte mir ohnehin nicht geglaubt, was darin ist, und angenommen, ich will ihn vergiften. Nun, besser so. Ich konnte untermischen all das andere Zeug. Vor seinen Augen.“
Hedwig musste trotz allem kichern. „Ihr habt also gar nichts für seine Blase hineingetan?“
„Doch. Das stimmte alles. Ich denke, dass er kennt die gängigen Kräuter.“
Sie veränderte ihre Sitzhaltung etwas und fragte: „Warum seid
Ihr
nicht eingeschlafen, Ihr habt doch auch getrunken?“
Er wartete ein wenig mit der Antwort, sah rasch zu ihr her und wieder vor sich. Sie ahnte, dass er erwog, wie viel er ihr preisgeben konnte.
„Ich habe meine Manier. Ich nahm weniger, als es mochte haben den Anschein. Ich schluckte nicht, sondern spie das Gebräu in meinen Ärmel, als ich mir wischte den Mund daran.“ Wieder zuckte er die Schultern. „Ganz einfach.“
Darauf wäre sie nie gekommen. Es hatte so echt ausgesehen, ganz natürlich. Er war wirklich ein Schwindler. Dennoch hatte er sie beide mit dieser Täuschung gerettet. Das ließ sie schweigen. Konnte aus Betrug etwas Gutes entstehen? Aus Unrecht Recht werden? Da knurrte ihr Magen hörbar in die Stille.
Er drehte ihr den Kopf zu. „Wollt Ihr Walnüsse?“
Dankbar nickte sie. Er beugte sich zu seinem Rucksack hinunter und zurrte ihn auf. Plötzlich fielen ihr die Mandelküchlein ein, die sie an Heiliggeist gekauft hatte. Sie hatte sie in all der Angst und Pein völlig vergessen. Sie tastete nach dem Leinenbeutelchen, worin sie verwahrt waren. Obwohl es die ganze Zeit über an ihrem Gütel befestigt gewesen war, hatte sie nicht mehr daran gedacht. Sie fasste hinein. Die Küchlein waren zu Krümeln zerfallen. Natürlich. Sie formte mit den Fingern eine kleine Kugel, hielt sie ihm hin. „Mandelkuchenkugeln“, sagte sie.
Er verharrte in seiner vornübergebeugten Stellung, die Hände bis zu den Ellbogen in seinem Sack vergraben, und drehte ihr den Kopf zu.
„Ich
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