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Das Buch des Kurfürsten: Historischer Roman (German Edition)

Das Buch des Kurfürsten: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Buch des Kurfürsten: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marlene Klaus
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dass er meinte, daran zu sterben. Philipp lief davon. Was brauchte es mehr als Eingeständnis, dass er Hedwig wirklich etwas angetan hatte? Seine Angst, seine Ahnung, sie wurden durch Philipps Tun bestätigt. Das Erkennen machte ihn stocksteif, er gewahrte, wie Gundel neben ihm die Hände auf den Mund presste und mit aufgerissenen Augen Nickel und Philipp hinterherstarrte. Dann wollte auch er loslaufen, doch eine Stimme neben ihm sagte: „Gott zum Gruße, Biber mein Name.“
    Matthias wandte sich dem Mann zu, grüßte ihn ebenfalls. Dessen Halskrause war größer, als er sie sonst von Kanzleiverwandten kannte, auch sein kräftig grünes Wams über dem schwarzen, mit kleinen Silbersternen bestickten Samthemd dünkte ihn nicht nach einer Amtstracht. Und doch gehörte der Mann zur Kanzlei, denn er erklärte ohne Umschweife: „Botenmeister mein Geschäft. Boten und Kanzleiknechte unterstehen mir. Es gibt Beschwernisse?“
    Blaue Krümel hingen noch auf des Botenmeisters Wams und zeugten davon, dass er ebenfalls von den Wittelsbacher Wecken gegessen hatte.
    „Ich fürchte ja, guter Mann“, brachte Matthias heraus. Aber er konnte jetzt nicht mit ihm reden. „Verzeiht“, murmelte er entschuldigend und setzte Philipp ebenfalls nach. Nickel indes hatte ihn bereits eingeholt, die beiden rangen miteinander.
    „Philipp!“, rief Matthias im Laufen, und wieder: „Philipp!“ Als er bei den beiden anlangte, hörte er ihr Keuchen, der kräftige Nickel hatte Philipp mühelos die Arme auf den Rücken gedreht. Mit einer Hand hielt er sie dort, die andere lag in Philipps Nacken und presste ihn in eine gebückte Haltung. Derart zwang er ihn zu gehen.
    „Lasst ihn“, bat Matthias.
    Nickel schaute ihn an mit einem Blick, der sagte, dass er dies lieber nicht täte, doch Matthias nickte ihm zu und fasste Phillipp an der Schulter, als dieser sich aufgerichtet hatte. „Junge“, sagte er und blickte ihm in die Augen. Und was er in ihnen las, ließ die Eisenfaust von Neuem nach seinem Herzen greifen. Die pure Not lag darin, ein solcher Jammer, dass seine Sorge zur Gewissheit wurde und er entsetzt einen Schritt vor seinem Schwiegersohn zurückwich.
    „Besser, wir setzen ihn fest und hören, was er zu sagen hat“, hörte er den Botenmeister hinter sich, der mit Gundel herankam.
    „Junge, was hast du nur getan?“, flüsterte Matthias.

Einundzwanzig
    Hedwig konnte keine Bäume mehr sehen. Und Schnee schon gar nicht. Dazu der Hunger. Er brannte ihr ein Loch in den Bauch. Zudem schmerzte ihre Schulter, die sie sich bei der Hatz durch den Wald geschrammt hatte. Auch sonst tat ihr von der schiefen Haltung, in der sie die Nacht zugebracht hatte, jeder Knochen weh.
    Seit Ewigkeiten liefen sie durch die Kälte, darauf bedacht, auf Geräusche zu lauschen, auf Spuren zu achten und Gefahren rechtzeitig zu bemerken. Sie hatte genug davon. Wenigstens schlief Juli. Weil sie sie zuvor doch noch gestillt hatte, hing sie satt im Tragetuch.
    Als sie aufgebrochen waren, war Hedwig entschlossen gewesen, sich tatkräftig zu zeigen. „Wir müssen abwärtsgehen, ins flache Land!“, hatte sie zu dem Fremden gesagt. Hinunter ging es entweder im Westen, hatte sie überlegt, dort lag die Ebene, vielleicht das Dorf Rohrbach. Von dem aus wäre es leicht, den Weg nach Heidelberg zu finden. Hielten sie sich gen Norden, müssten sie doch sicher irgendwann den Neckar unter sich sehen? Dem Fluss brauchten sie dann bloß zu folgen. Doch bisher war es nirgends abwärtsgegangen, jedenfalls nicht so, wie sie es erhofft hatte. Da die Sonne es nicht durch die tiefen, schneeprallen Wolken schaffte, konnten sie sich nach ihr auch nicht richten. Schweigend stapften sie durch den Wald und suchten den Weg hinaus. Hin und wieder hatte der Fremde sie gefragt, ob sie da oder dort lang gehen sollten. Tapfer hatte sie versucht, die richtige Entscheidung zu treffen. Sie wusste nicht mehr, wie oft ihre Hoffnung enttäuscht worden war, hinter der nächsten Biegung, dem nächsten Hügel ein Gehöft zu finden, wo man nach dem Weg fragen konnte. Sich kurz aufwärmen konnte. Etwas zu essen bekam. Hedwig fragte sich allerdings auch bang, ob man sie nicht einfach davonjagen würde.
Sie
war ehrbar, doch der Schwarzrock war es nicht – und natürlich würde man sie miteinander in einen Topf werfen und ihnen mit Misstrauen begegnen. Vielleicht half es, dass sie Juli hatte. Ein Weib mit einem Säugling konnte man nicht abweisen.
    Der Fremde blieb stehen und streckte warnend den Arm nach

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