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Das Buch des Kurfürsten: Historischer Roman (German Edition)

Das Buch des Kurfürsten: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Buch des Kurfürsten: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marlene Klaus
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verfolgten sie, ja. Sie wollten sie finden, ja. Sie wollten das vermaledeite Ding aus der Kanzlei! „Ich will hineinsehen!“, sagte sie entschlossen. „Das wollten wir heute ohnehin.“ Sie setzte sich nah ans Feuer und zog es heran. Ledereinband, Verschlussbänder aus Leder, Metallbeschläge. Prächtig anzuschauen. Sie schlug es auf.
    Libri feudorum Friderici ducis III
.
    Irgendwas mit Friedrich III.? Sie konnte kein Latein. Sie blätterte zur ersten Seite. Sah aus wie eine Auflistung. Weiter. Einträge. Die meisten begannen mit einem großen, durch Verzierung und Farbe hervorgehobenen Anfangsbuchstaben, der eine Überschrift einleitete, die größer als das Darunterstehende gehalten war. Im Feuerschein glänzte er in Rot und Blau und schimmerndem Gold. Hedwig versuchte zu lesen. Doch die Tinte war blass und im schwachen Licht schwer zu erkennen. Also schleppte sie das Ding zum Eingang der Höhle. Ryss folgte ihr nicht. Sei’s drum, dachte sie aufgebracht. Es lag ihm ja ohnehin nichts daran. Sie ging in die Hocke, setzte sich auf die Fersen und legte das Buch auf die Oberschenkel. Sie versuchte, einen Eintrag zu lesen, als sie Ryss herankommen hörte.
    „Ihr gebt ab eine treffliche Zielscheibe.“
    Sie erschrak, ihr Kopf ruckte in die Höhe, der Blick huschte von Baum zu Baum. Dunkles Gehölz in grauweißem Dunst. Sie biss sich auf die Unterlippe. Hastig rutschte sie zur Seite, spürte den kalten Stein, als sie sich dagegen kauerte.
    „Und, Ihr könnt erkennen, was steht geschrieben?“, fragte er spöttisch.
    „Wenn Ihr mich in Ruhe lesen ließet, könnte ich es vielleicht“, gab sie bissig zurück und vermied, ihn anzusehen. Diesen Esel! Sie starrte auf die Seiten, kämpfte mit trotzigen Tränen. Sie war vielleicht dumm gewesen, aber musste er ihr das so böswillig unter die Nase reiben? Musste er so gehässig andeuten, dass auch für sie das Geschriebene schwer zu verstehen war? Die Sprache war verschlungen, und sie hatte sich insgeheim ohnehin gefragt, was sie sich von ihrem Tun eigentlich erhoffte. Dennoch schlug sie nun Seite für Seite um, besah sich Schnörkel und Wörter, die zu grauen Linien verschwammen, deren Sinn sie kaum ausmachen konnte, erst recht nicht, da er so lauernd nahebei stand und sie so aufgewühlt war von ihrem Zorn auf ihn. In Gedanken sah sie sich allein und schutzlos durch die Kälte irren, sah sich kraftlos im kahlen Wald niedersinken, Juli an sich gepresst, sah den Schnee auf sich fallen und sie beide zudecken, bis sie nur noch eine weiße Verwehung waren, ein kleiner weißer Hügel.
    „Maid Hedwig?“
    Sie presste die Hände vors Gesicht, das Buch rutschte ihr vom Schoß.
    „Es ist zu dunkel im Schatten vom Fels“, sagte er, und sie hörte durchaus, dass er freundlicher sprach als zuvor. Leise war sein Tonfall, fast tröstend. Reuten ihn seine garstigen Worte von vorhin? Die trotzigen Tränen ließen sich nicht mehr halten, und auch die verzweifelten, angstvollen nicht, sie suchten sich angesichts des anteilnehmenden Klangs seiner Stimme ihren Weg nach draußen und flossen nun, ungehindert von Stolz und Bemühen.
    „Kommt“, flüsterte er.
    Aber sie konnte sich nicht erheben, es ging nicht, das Weh in ihr ließ nur eine Bewegung zu, von selbst neigte sich ihr Oberkörper nach vorne, bis ihre Ellbogen die Oberschenkel berührten. So kauerte sie, das Gesicht noch immer in den Händen verborgen, und hörte sich weinen. Sie merkte nicht, ob er dabeistand oder ob er sich entfernte. Als sie nach einer Weile den Kopf hob und sich aufrichtete, weil keine Tränen mehr kamen, war er jedenfalls nicht neben ihr. Sie wischte Rotz und Nässe aus dem Gesicht. Das Tuch ihres Mantels fühlte sich rau an, kalt und steif. Sie starrte auf den Streifen Tageslicht, der rechts von ihr durch den Eingang hereinfiel, beobachtete, wie er dünner wurde und sich zu blassem Schatten wandelte, zu Düsternis und Lichtlosigkeit, je weiter sie den Kopf nach links wandte, dahin, wo es weiter hineinging ins Herz der Höhle.
    Schließlich erhob sie sich, benommen und wackelig vom Weinen, klamm und steif von der Kälte, und ging langsam ins Halblicht.
    Ryss saß am Feuer und schrieb etwas in sein Buch. Er sah nicht auf, und er sagte nichts. Er hatte Juli näher zu sich herangeholt, zwei Handbreit von ihm entfernt lag sie rechts von ihm nah bei der Wärme. Hedwig beugte sich zu ihr hinab und besah das schlafende Gesichtchen ihrer Tochter. Sie machte eine spaßige Schnute im Schlaf, atmete jedoch in

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