Das Buch des Wandels
ein: »Product on Demand«.
Gegen diese Erosion der alten Angebot-und-Nachfrage-Logik kämpfen Unternehmen seit Jahren verzweifelt an und machen sich dabei nicht beliebter. Damit jeder Akteur der linearen Wertschöpfungskette – Planer, Werber, Händler, Zwischenhändler, Transporteur – seinen Teil vom Kuchen behält, müssen immer mehr Tricks aufgefahren werden: Quersubventionen, Extremrabatte, Marktabsprachen. Aber der PROsument ist wie der Hase beim Hase-und-Igel-Spiel: Warum soll er sein Auto beim örtlichen Händler kaufen, wenn man es über den Umweg des Re-Imports billiger bekommt? Wieso muss die Duschwanne beim Baumarkt
2000 Euro kosten, wenn sie beim Handwerker zum halben Preis zu haben ist? Wozu braucht man Zeitschriftengrossisten, Verleger, Kioske, schweres Papier, wenn man im Internet lesen kann, was man möchte? Einige Hersteller verabschieden sich aus diesem aussichtslosen Abwehrkampf, indem sie die Wertschöpfungskette »vertikalisieren«. Sie nehmen Planung, Produktion, Vertrieb, Läden wieder ganz in die eigene Hand. Auf diese Weise kann man sogar die Marktforschung sparen, wenn man selbst die Kunden befragt und ihr Kaufverhalten analysiert. Produziert wird dann direkt, was der Kunde wünscht. Auf diese Weise rollen manche Unternehmen (in der Modebranche zum Beispiel Zara, Hennes & Mauritz) ganze altehrwürdige Branchen auf.
Auf Dauer lässt sich aber auch hier die evolutionäre Konsequenz absehen. Wenn wir den Kunden als PROsumenten tatsächlich in den Mittelpunkt stellen, bricht das angebotsorientierte System des Taylorismus endgültig in sich zusammen. Aus riesigen Organisationen, die die Märkte mit Ware überschwemmen, werden Kundenkommunikateure. Aus »Verbrauchern« werden Marktakteure. Aus einer Produktökonomie wird eine Nutzungswirtschaft.
Die Treppe empor
Von Uwe Jean Heuser, einem Autor der »Zeit«, stammt ein prägnanter Satz, der den Hintergrund der Wertschöpfungs-Evolution noch einmal von einer anderen Seite betrachtet:
Die Globalisierung treibt uns nicht aus dem Haus, sondern die Treppe hinauf!
Unternehmen sind menschliche Öko-(im Sinne von griechisch oikos, das Haus)Systeme, die menschliche Bedürfnisse mit Angebotssystemen koordinieren. Diese Systeme entwickeln sich analog zur Evolution der weltweiten Marktwirtschaft entlang einer aufsteigenden Achse von Komplexität.
Am besten nähern wir uns diesem Gedanken, wenn wir Wertschöpfung als Kultursystem begreifen. Zunächst erfordert Jagen und Sammeln eine Verfeinerung der Sinne und Verbesserung der sozialen Kooperation in Kleingruppen – es geht um Beute. Es folgen die Kulturtechniken der agrarischen Gesellschaft: Arbeit bedeutet Pflanzen, Hegen, Ernten, Kenntnis der Natur, das Ziel ist die Ernte. Dabei entstehen neue Austauschformen von Überschüssen (Handel), und es entwickeln sich professionelle handwerkliche Arbeitsformen, die immer ein Einzelstück erzeugen . Kein Schrein, kein Schrank, kein Karren, kein Schwert gleicht dem anderen. In der industriellen Logik regiert hingegen das Kopierprinzip: Möglichst hohe Stückzahl des möglichst gleichen Produktes. Produktiv ist in dieser Umwelt, wer Tätigkeiten in möglichst viele Einzelschritte zerlegen kann (das Taylorismus-Prinzip).
Doch irgendwann ist auch diese Produktionsweise gefährdet. Spätestens wenn alle Produkte zu »commodities« werden, Massengütern, die man ohne große qualitative Differenzierung zu billigsten Preisen an jeder Straßenecke findet, springt das Nachfragesystem auf eine neue Stufe. Geldwert und begehrt wird nun Service: die Anwendung einer Dienstleistung auf ein eher immaterielles, von Zeit- und Raum-Knappheiten geprägtes Bedürfnis.
Abb. 24: Die Hierarchie der Wertschöpfungen in der Menschheitsgeschichte
Und so geht es weiter. Im Wirtschaftsprozess wird jeweils das massenhaft verfügbare entwertet und das Komplexere, Knappe geldwert. Systeme und Prozesse sind das, was in der nächsten Stufe der wirtschaftlichen Evolution am knappsten ist. Wer managt ganze Fertigungsstraßen, wer organisiert Flughäfen, Verkehrssysteme, Gesundheitssysteme? Bald geht es um das Design – aber nicht so sehr im Sinne äußerer Formgebung, sondern im Sinne der klugen Gestaltung von Abläufen und Bedienungsoberflächen (das iPhone gegen den Rest der Handywelt). Und in der obersten Stufe geht es um Innovationen und Transformationen. Motivationsgurus, Manager und Berater in Großunternehmen verdienen deshalb ein so unverschämtes Geld, weil in ihrer
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