Das Buch des Wandels
Adaptive Unternehmen versuchen immer, ihre Leute zu halten, verlangen aber von den Mitarbeitern auch Flexibilität weit über die tariflichen Möglichkeiten hinaus.
• Möglichst späte Entscheidungen: Neue Produktionsstätten oder Maschinen oder Mitarbeiter werden erst in allerletzter Minute geordert, wenn die alten Büroräume oder Fertigungsstätten schon aus den Nähten platzen. So wird der Fluch der Transaktionskosten beschränkt, und man muss kein Geschäft machen, nur weil man eine zu große Fabrik hat.
• Nie andere Firmen aufkaufen: Ihr Wachstum steuern die kreativen Firmen durch eigene Dynamik und Expansion, aber manchmal zerlegen sie sich auch in kleinere Einheiten. Größe ist nicht das Ziel, sondern Marktfitness. Aufkäufe anderer Firmen vermeiden sie, weil die Integration in den seltensten Fällen gelingt (jede Firma hat eine eigene Seele).
• Keine »Incentives«: Die klassischen Instrumente der Motivation haben im Unternehmen der Zukunft keinen Platz, weil sie Mitarbeiter in Pawlow’sche Hunde verwandeln. Es gilt die Devise: Gutes Geld für gute Arbeit. Das Management kann die Mitarbeiter nicht »kaufen«, sondern muss Arbeit so organisieren, dass sie möglichst viel Sinn produziert (was nicht heißt, dass nicht einmal eine Gratifikation ausgeschüttet oder eine rauschende Party gefeiert werden kann, wenn es gut läuft).
• Adaptive, relative Ziele: Zwar gibt es auch Zielvereinbarungen, aber sie sind nicht mit fixen Nummern verbunden. Es geht eher um generelle Richtungen wie »Wir wollen diesen Bereich ausbauen«. Mitarbeiter und Abteilungen sind jederzeit autorisiert, die Ziele zu variieren.
Das japanische Kaizen-System revolutionierte Anfang der neunziger Jahre die Fabrikproduktionen, indem es einen Rückkoppelungskanal zwischen den Mitarbeitern und der Organisation etablierte. Sämtliche Verbesserungsvorschläge der Mitarbeiter wurden nun ausgewertet, gewichtet, konsequent umgesetzt. Die Organisation entwickelte ein »Nervensystem«. Die konsequente Einführung von Kaizen in den Fabriken konnte Toyota am Ende nicht davor bewahren, in die weltweite Krise des Automobilmarktes zu rutschen, obwohl der japanische Autoriese viel früher als andere die Möglichkeiten des Hybridantriebes erkannte. Aber das Beispiel zeigt, dass man selbst Fabrikorganisationen im Sinne der Kreativen Ökonomie transformieren kann. Unternehmen tun das nicht, weil sie »moralisch« oder »human« geworden sind oder weil sie Angst vor Gewerkschaften haben. Sondern weil sich die Regeln des ökonomischen Spiels grundlegend wandeln, vor allem durch die Kunden selbst.
Die neue Rolle der Kunden
Gehen wir noch einmal zurück zum Perlenkettenmodell der Wertschöpfung. Am Ende aller Produktionsanstrengungen haben wir noch jemanden vergessen. Dort sitzt froh und glücklich der Abnehmer des Produktes, der »Verbraucher« oder »Konsument«. Und kauft, was man ihm anbietet.
Er hat ja auch sonst nichts zu tun!
Längst sind die meisten Märkte gesättigt, herrscht ein gnadenloser Kampf um die Köpfe der Kunden. Während ein Teil der Konsumenten zu NOsumenten mutiert – also Kaufenthaltung
oder radikalen Schnäppchenkauf übt -, entwickelt sich der andere Teil zum PROsumenten. Dieser Begriff für einen penetrant kompetenten und hyperaktiven Kunden wurde schon in den achtziger Jahren von Alvin Toffler geprägt. Gemeint ist ein Kunde, der längst nicht mehr als passiver Abnehmer fungiert. Er produziert einen Teil der Wertschöpfung selbst, indem er zum Beispiel IKEA-Regale aufbaut, Einkaufswagen zusammenschiebt oder gar als aktiver Marktteilnehmer auftritt: als Händler bei eBay. Aber gerade weil er all dies tut, wandelt er sich zum Experten der Wertschöpfung. Er würde nicht einen hohen Preis und eine Eigenleistung akzeptieren. Er klaubt alle Informationen aus dem Internet und tauscht sich dort mit anderen Kunden über Beurteilungsrankings aus. Ansonsten zeichnet er sich dadurch aus, dass seine Aufmerksamkeitsspanne ständig schrumpft. Kaufen langweilt ihn im Grunde. Er hat schon alles. Er will Problemlösungen.
Mit dem PROsumenten wird die Linearität der Wertschöpfungskette langsam von hinten aufgebrochen. Der PROsument überspringt ganze Wertschöpfungssegmente, indem er zum Beispiel direkt beim Hersteller ordert (und damit den Zwischenhändlern das Geschäft wegnimmt). Oder sich neue, flexiblere und effektivere Intermediäre sucht (das Amazon-Prinzip). Oder aber er mischt sich direkt bereits in die Planung des Produktes
Weitere Kostenlose Bücher